Die beste Lage: Roman (German Edition)
… für insgesamt …«
Nein, den genauen Betrag hatten sie leider nicht hören können. Der Unglücksmensch hatte ihr die Zahl direkt ins Ohr geflüstert.
»… alles in bar, spätestens innerhalb von sechs Tagen, wie die Sabbernde gesagt hat … Keine Lira weniger! … Lieber sterbe ich …« Dann schob er in einer letzten Aufwallung von Verdruss hinterher: »Vergiss das nicht: bis auf die letzte Lira! Sonst verfluche ich dich und diesen Idioten von meinem Sohn« – der, es sei daran erinnert, niemand anderer war als der kleine Graziantonio. Dann sank der nunmehr vollkommen erschöpfte Michelantonio in eine Art Endlosschlaf – oder lag er vielleicht schon im Koma?
Begegnung mit Judas nach der berühmteren im Garten Gethsemane
Der ausgedorrten Ehefrau blieb jedenfalls nichts anderes übrig, als das zu erfüllen, was möglicherweise der letzte Wille ihres fürchterlichen Gemahls war, und so rief sie noch am selben Abend Carmine Addario zu sich, den Bauernführer in pectore von Ferrandina, der ihr jetzt ungläubig zuhörte.
War es denn wirklich möglich, fragte er sich, dass ausgerechnet ein Schurke von einem Latifundienbesitzer wie Michelantonio Dell’Arco, der, statt den rebellierenden Bauern auch nur ein Fitzelchen seines Landes abzutreten, nicht gezögert hatte, auf sie zu schießen und dabei seine eigene Ermordung riskiert hatte, dass sich also so ein Typ ausgerechnet jetzt, da man auf diesem selben Grund und Boden »das durchsichtige Gold« gefunden hatte, wie der bereits erwähnte fantasiebegabte Chronist das Methangas genannt hatte, und ausgerechnet zu ihren Gunsten von ihm befreien wollte – und das nur, weil eine alte Hexe es ihm befohlen hatte?
Andererseits: In wie vielen Fällen verwandelt die Angst vor dem Tod Knallharte in Schwache, bekehrt Atheisten zum Glauben, lässt Mörder bereuen und macht, wie der heilige Augustinus schreibt, Sünder zu Heiligen? Und wenn Michelantonio in seiner Agonie – Carmine sah sein Profil wächsern aus dem anderen Zimmer herüberschimmern – ausgerechnet ihn an sein Krankenbett hatte rufen lassen, den Mann, den er am meisten hasste, und dies auch schon, als er, Carmine, noch nicht Vorsitzender des Tagelöhnerverbands gewesen war, dann konnte kein Zweifel bestehen, dass er es jetzt mit genau so einem Fall zu tun hatte.
Nach dem ersten Augenblick der Ungläubigkeit blieb ihm also nichts anderes übrig, als zur Kenntnis zu nehmen, dass das ihm vorgeschlagene Geschäft eine große Chance für seine Bauern war. Das einzige und ebenso große Problem war, dass Dell’Arcos Ländereien zwar aufgrund dessen, was man unter der Erde gefunden hatte, einen immensen Wert besaßen, der gewiss weit über der geforderten Summe lag, dass diese allerdings immer noch hoch war und außerdem auf Anordnung der Sabbernden und folglich des Eigentümers innerhalb von kaum sechs Tagen bezahlt werden musste.
Die einzige Möglichkeit, an das Geld heranzukommen, bestand darin, das kleine arbeitsame Heer dickköpfiger Bauern zu überreden, ihre Ersparnisse zusammenzulegen, die sie oft während eines aufopferungsvollen Lebens im Ausland angehäuft hatten. Das würde eine harte Nuss werden, eine sehr harte. Carmine Addario wusste das nur zu gut, denn er versuchte seit mehr als zwei Jahren, sie in einer Kooperative zusammenzuschließen, aber sie waren dermaßen stur und individualistisch und hingen so sehr an ihren im Zuge der Landreform erhaltenen Besitzungen – mit deren Erwerb sie sich auch Michelantonios krankhaften Besitzerstolz eingehandelt zu haben schienen –, dass die Angst, irgendjemand könne sie ihnen wegnehmen, sie blind machte für die Vorteile wie etwa das Wachstum von Produktion und Reichtum, das die genossenschaftliche Lösung jenen Regionen, welche sich für sie entschieden hatten – der roten Romagna in primis –, beschert hatte. Allerdings lag die Sache dieses Mal anders. Es ging darum, in einem Maße reich zu werden, das jede Vorstellung überstieg, und diese Aussicht würde – musste! – jegliches Misstrauen bezwingen. Sich jetzt nicht zu einigen, wäre, als hätte man im Lotto gewonnen und würde sich das Preisgeld nicht abholen, weil man die Fahrkarte für den Zug nach Rom nicht bezahlen will. Solche Züge fahren aber nur ein einziges Mal im Leben vorbei. Hochzufrieden mit dieser Metapher, prägte Addario sie sich ein, um sie möglichst bald bei seinen Bauerntrampeln anzubringen.
Ein kleines verdächtiges Lächeln
Dann versicherte der Gewerkschafter Donna
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