Die beste Lage: Roman (German Edition)
Krankenhaus von Bari transportiert wurde, wo er dann, nach kaum einer Woche mit einer von den buckligen Dienstmädchen ebenfalls unverzüglich in Umlauf gesetzten »ungünstigen Prognose« entlassen wurde – »Was soll das denn heißen?«, »Der stirbt«, wie die gebildeteren Gäste der Regina Bar, der älteren und besser besuchten der beiden Bars im Dorf, erläuterten. »Na ja, hin und wieder nimmt die göttliche Gerechtigkeit ihren Lauf«, lautete an jenem Abend die einhellige Meinung.
»Oder vielleicht hat da oben jemand ein Machtwort gesprochen«, orakelte Gufíus oder Gerolamo Cuspiddo, der Totengräber, der neben der Theke balancierte, eingezwängt in seinen üblichen Samtanzug, der einmal senffarben gewesen war und im Lauf der Jahre über Bananen-, Zitronen- und Strohgelb die gegenwärtige undefinierbare Farbe angenommen hatte, die nur vergleichbar war mit jener der Leichentücher, in die die sterblichen Überreste der Dorfbewohner eingewickelt waren, wenn er sie fünfzig Jahre nach deren Bestattung ausgrub, um sie in das für sie vorgesehene Beinhaus umzubetten.
»Und das heißt?«, »Was soll das?«, »Und?«, fragten die Stammgäste, die den Blick nicht von den Spielkarten hoben, ihre gedanklichen Fragezeichen jedoch allesamt mit einem kräftigen Auswurf unterstrichen.
Gufíus legte eine mehr als theatralische Pause ein – ja, aufgrund ihrer Dauer hätte man sie geradezu als eine dem Avantgardetheater würdige Pause bezeichnen können –, die es ihm erlaubte, einen tiefen Zug von seiner zwischen den Fingern klemmenden Alfa zu nehmen, einen Rauchkegel gegen das schnurrbärtige Porträt des Ex-Inhabers der Bar Regina, den er höchstpersönlich einige Jahre zuvor auf untadelige Weise in die Erde gebettet hatte, zu blasen, ein abschließendes Glas Wein hinunterzukippen, sich mit den Ellbogen auf die Theke zu stützen – er war so klein, dass er sich zu diesem Behufe auf die Zehenspitzen stellen musste –, die Hände wie einen Trichter um den Mund zu legen und schließlich einen einzigen Satz auszusprechen, der dank dieses Kunstgriffs aus einer Maske der griechischen Tragödie zu kommen schien und im ganzen Saal widerhallte: »Ich hab jemand bei der Sabbernden gesehen.«
Darauf stand für einen Moment die Zeit still.
Die Hände erstarrten auf den Spielkarten. Der Atem wurde angehalten wie vor dem Ausblasen einer Kerze. Und schließlich brüllte der Chor der Anwesenden: »Der böse Blick !«, und sie sahen sogar von den Karten auf, während ein Luftwirbel die dichte Rauchwolke über ihren Köpfen auflöste, die Uhr des Kampanile zehn schlug und ein hungriger Hund schaurig durch die finsteren Gassen jaulte.
»Der böse Blick «, bestätigten Michelantonios Dienstmädchen am nächsten Morgen, nachdem sie die Sabbernde im Haus des Verhexten empfangen hatten.
Lukanische Magie pur
Lia die Sabbernde wohnte am Dorfrand, in einer in den Tuff gehauenen Behausung, die kaum zu sehen war hinter der großen Weide, deren Zweige die Augenhöhlen der Fenster wie zerraufte Strähnen bedeckten und dem Bau das Aussehen eines heulenden Irren verliehen. Drinnen war es so finster, dass man glaubte, die Wände des einzigen Raums seien schwarz angemalt, doch sobald sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt hatte, erkannte man, dass sie mit allem bedeckt waren, was der Zauberin zur Herstellung ihrer Amulette oder »Anhänger«, wie sie selbst sie gern nannte, diente.
Das schauderhafte Mosaik bestand aus einer wurmstichigen Kollektion von Dachspfoten, Wild- oder Hausschweinhauern, Klauen vom »großen Waldtier« – womit der Wolf gemeint war, aber in dieser Gegend hütete man sich sehr wohl davor, diese teuflische Bestie auch nur beim Namen zu nennen –, rechten Vorderfüßen von Maulwürfen, Krallen alter Hähne, Zehen von noch unbeschuhten – sprich: unbeschlagenen – Eselshufen, Hörnchen schwarzer Zicklein, behaarten Bauchfellen vom Dachs, Fuchskrallen, kleinen Ringen mit Todespferdchen, auch Skarabäen genannt, sowie Bärenzähnen.
Es waren Beutestücke, die die Sabbernde nach sorgfältiger Abwägung der unterschiedlichen Erfordernisse auswählte und von der Wand nahm, um sie dann in Befolgung entsprechender Rituale zu »behandeln«. So bohrte sie etwa in den noch mit Zähnen bewehrten Unterkiefer eines Wildschweins oder Hundes an drei genau abgemessenen Stellen Löcher und fädelte eine Schnur hindurch, damit er im Fall von Impotenz oder Unfruchtbarkeit von der betreffenden Person um den Hals getragen werden
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