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Die beste Lage: Roman (German Edition)

Die beste Lage: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Lage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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aufgrund der besonderen »Gitter«-Bauweise mit einem lauten hohlen Geräusch antwortete – und dabei in einer Weise »muore viv , muore viv, muore viv « zu psalmodieren, dass jeweils das zweite dieser Worte mit dem mächtigen Schlag der großen Trommel zusammenfiel, bevor sie erneut zu einer hektischen Umrundung ansetzte.
    Bis sie plötzlich stoppte, sich mehrmals zusammenkrampfte und mit dem Gurgeln eines dicken verstopften Wasserrohrs Schleim hochwürgte, dabei gleichzeitig den einst so stolzen Großgrundbesitzer am linken Fuß packte und diesen, nachdem sie ihn langsam von der Socke befreit hatte, zur Gänze einspeichelte, wozu sie allerdings, angesichts des Zustands ihrer Bronchien, wohl hauptsächlich den zähen Sirup verwendete, der sich in ihrem stinkenden zahnlosen Mund angesammelt hatte.
    Nicht zufällig wurde sie »die Sabbernde« genannt.
    Michelantonio gab daraufhin einen schwachen Klagelaut von sich – »Als hätte er kotzen wollen , ehm «, berichteten die Buckligen weiter – und leistete keinerlei Widerstand, als die Sabbernde, mit ihrer Spezialsalbe unzufrieden, Fußsohle und Zehen zu massieren begann, nach einem bestens bewährten Ritual, das die zahlreichen Ethnologen, die seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts wie Spürhunde die unwegsamen Ebenen der Basilikata abgesucht hatten, in Verzückung versetzt hätte, wäre es ihnen denn vergönnt gewesen, es zu katalogisieren. Allerdings findet sich eine Spur davon in Lo sputo e la saliva nelle tradizioni popolari antiche e moderne , einer im Archivio per lo studio delle tradizioni popolari publizierten Reihe von Notizen der Autoren Crombie, Busk, Pajello und Pitrè, sowie in The Saliva Superstition , von Crombie allein, veröffentlicht in The International Folklore Congress , London 1892, wo dieser auch über einen im nahe gelegenen Miglionico praktizierten Brauch berichtet: Dort bespuckten Fremde, keinesfalls die eigenen Eltern, das Kind und sagten dazu: »Wie hässlich und ekelhaft ist dieses Kind!«, um den Neid der Leute fernzuhalten. Die Sabbernde jedoch hatte sich immer geweigert, sich mit den ihr schöntuenden Forschern zu treffen, nicht einmal gegen das angebotene Honorar, denn sie befürchtete, dass sie ihr die Geheimnisse hinter ihren Ritualen entreißen wollten, die in der Tat sehr kompliziert waren, wie das soeben beschriebene, noch immer im Gang befindliche beweist.
    Nach der Phase der »Salbung« – auch sie gewissermaßen eine Letzte Ölung – machte sich die Sabbernde tatsächlich wieder daran, den Sterbenden auf den Knien zu umrunden, und zwar mit einer solchen Geschwindigkeit, dass es schien, als wollte ein Strudel die beiden direkt in die Hölle hinabziehen. »Der Herr möge uns von ihnen befreien!« Stattdessen brach die Alte irgendwann zusammen und blieb auf dem Boden liegen. Regungslos.
    Zusammen mit Donna Cesidia warteten die Buckligen, dass irgendetwas passierte. Aber es passierte absolut nichts. Hin und wieder schien es, als schnarchte die Zauberin, und als die Padrona sich nach einer guten halben Stunde dazu durchgerungen hatte, sie zu schütteln, wurde ihnen klar, dass es keine Einbildung war: Lia die Sabbernde schnarchte tatsächlich. Sobald sie aus diesem wahrscheinlich »medianen« Schlaf erwachte, schrie sie wie besessen los: » böser Blick, böser Blick, böser Blick! «, und leierte dann plötzlich Folgendes herunter:
    Pferdefuß
Maulswurfspfote
Tatze, Tatze, Hahnenkralle
Verschwind sofort,
du böser Blick!
    Neuer Mond
Nimm Altes mit
Bring Neues her!
    Hör gut zu!
Gib das Land den Bauern,
Und los bist du das Methangas!
Sechs Tage bleiben dir hier noch.
Raff dich auf,
Sonst rafft’s dich hin.
    Und am Ende dieser Weissagung mochte wirklich keiner der Anwesenden weder das Verdikt noch das schreckliche, eindeutige Heilmittel in Zweifel ziehen.
    »Nicht einmal Michelantonio hat etwas gesagt?«, lautete der Kommentar der verängstigten Frauen, die den Buckligen mit höchster Aufmerksamkeit gelauscht hatten, wohlwissend, wie viel Wert der Latifundienbesitzer stets auf seine Ländereien gelegt hatte, zumal man jetzt auch noch das kostbare Methan entdeckt hatte.
    »Was hätte er schon sagen sollen? Der Halunke ist bereits mehr im Jenseits als im Diesseits«, antworteten die treuen Dienstmädchen, und da Michelantonio nicht mehr über die Kraft verfüge, sich seinem tragischen Schicksal entgegenzustemmen, habe er sich darauf beschränkt, seiner Gattin zuzuhauchen: »Hol diesen Judas Ischarioth von Addario … Verkauf alles

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