Die beste Lage: Roman (German Edition)
unaufhörlich an sie gedacht hast, die du also anlügst, wie du noch keine Frau angelogen hast, eben weil von ihr dein Leben abhängen könnte, das sich in der Zwischenzeit in eine ausweglose Falle entwickelt hat, aus der es aber nun endlich doch einen Ausweg zu geben scheint? Eine Frau, die trotz all ihrer Verpflichtungen den Ozean überquert hat, nur um dich zu treffen, und die du jetzt, genau wie zehn Jahre zuvor, nach einer langen Reise abholen willst, dieses Mal allerdings nicht an dem mickrigen Bahnhof von Potenza, sondern am Flughafen Charles de Gaulle in Paris. Mit welcher Miene also meistert man eine solche Situation? Eine Situation, auf die sich Riccardo Fusco niemals eingelassen hätte, wenn er die Kraft besessen hätte, den Schmeicheleien von Graziantonio Dell’Arco zu widerstehen – aber er hatte sie eben nicht besessen.
Dell’Arco hatte sich, wie man so schön sagt, in die Sache reingehängt. Zunächst hatte er Riccardo gezwungen, ihr die erste einfältige Mail zu schreiben, aber kaum hatte Chatryn ihm nicht nur entsprechend geantwortet, sondern umgehend eine unmittelbar bevorstehende Reise nach Europa in Aussicht gestellt, hatte Graziantonio alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit unser Mann ihr sozusagen als chaperon zur Seite stand, und ihm als Gegenleistung für »diesen kleinen Gefallen« das Blaue vom Himmel versprochen.
»Was willst du? Ein Buch veröffentlichen? Eine Sendung im Fernsehen daraus machen? … Wo liegt das Problem? Ich bringe dich mit Leandro Pavone zusammen, dem Produzenten, er ist ein Freund von mir, und dann mit Garrani, du weißt doch, wer das ist, oder? Der Agent. Ich bin jeden Monat bei ihm zum Dinner … Der letzte Mist wird gedruckt, wenn er es will. Dann wohl erst recht ein Buch von dir! Ich sorge dafür, dass du jeden Tag im Fernsehen auftrittst. Und worum bitte ich dich im Gegenzug? Dass du einen schönen Urlaub mit der Wally Triny verbringst. Schließlich ist sie immer noch eine schöne Frau«, hatte er mit Blick auf ihr Foto im Wine Spectacle kommentiert und hinzugesetzt: »Was verlierst du schon dabei, hm? Und egal, wie’s ausgeht, ich halte meine Versprechen. Aber du wirst sehen, die Sache klappt. Der Wein wird ihr gefallen, da bin ich mir sicher … Apropos – hast du schon einen Namen für ihn gefunden?«
Karate und Barriques
Das war eines der Probleme, über die sich Riccardo den Kopf zerbrochen hatte und die ihm während seiner Nächte in Ferrandina den Schlaf geraubt hatten. Er hatte verschiedene Texte gelesen und sein önologisches Wissen vertieft, bis eines Morgens die Sonne in sein Zimmer schien und in seinem Kopf die Lösung aufleuchtete: Carato Federiciano .
Genial, hatte er sich in seinem traumwandlerischen Zustand gesagt, und denselben Eindruck hatte er auch noch ein paar Stunden später, als er den Namen in wachem Zustand auf dem Zettel gelesen hatte, auf den er ihn aus Angst, er könnte ihn vergessen, notiert hatte. So antwortete er jetzt ohne den Anflug eines Zweifels: »Carato Federiciano.«
»Carato Federiciano«, syllabierte der andere und goutierte dabei jeden einzelnen Laut, als würde er seinen eigenen Wein verkosten, setzte dann aber doch hinter die letzte Silbe ein Fragezeichen.
»›Federiciano‹ leitet sich natürlich von Friedrich II . ab«, erläuterte Riccardo. »Aber jetzt wirst du dich fragen, warum ausgerechnet ›Carato‹, auch wenn die Bedeutung jedem sofort klar ist. Na ja, Karat ist nicht nur die bekannte Gewichtseinheit für Edelsteine, sondern bezeichnet auch ein kleines Eichenholzfass, ist also ein anderes Wort für das bekanntere Barrique , bloß vermittelt es einen völlig anderen Eindruck, wenn man ›Karat‹ oder ›carato‹ sagt. Das ist ein Begriff, der zu unserer Tradition gehört, zu unserer Kultur, die schließlich das ist, was wir vor allem verkaufen müssen, weil es die Kultur ist – das Bild, das man mit dem Wein assoziiert –, die bewirkt, dass man diesen Wein einem anderen vorzieht. Darüber hinaus verleiht das Wort dem Produkt ein neues und besonderes Maß an Kostbarkeit. Überleg doch mal! Das ist, als würden wir sagen: He, mein Freund, dieser Wein ist so kostbar, dass wir ihn dir karatweise überlassen, so wie man das mit Diamanten macht. Na, wie findest du das?«, fragte Riccardo Fusco am Ende dieser Schwulstlawine, absolut überzeugt, einen Volltreffer gelandet zu haben.
Und in der Tat: Er hatte ins Schwarze getroffen.
» Klasse, wirklich klasse «, schmeichelte ihm Graziantonio und sah ihn
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