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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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Augenblicken, wenn die Hormone die Kontrolle übernehmen wollen, hilft nur eins: Ruhe bewahren, keine Schnellschüsse, erst mal sacken lassen. In solchen Momenten bleibt man besser im Jetzt, denn jetzt ist jetzt, und vorbei ist vorbei. Und jetzt ist vorbei.

In der Redaktion erwarten mich angeschlagene Kollegen und auch am zweiten Tag nach der Party noch ein brodelnder Flurfunk. Ich bekomme mehr oder weniger dezente Nachfragen, wer meine entzückende Begleiterin war. Manche erkundigen sich, ob sie Kostüm oder Arbeitskleidung trug, andere interessieren sich für ihren Beziehungsstand, und zwei fragen direkt, ob ich sie mit ihr verkuppeln kann. Ich bügele alles mit Lesbe ab und hoffe, dass diese Aussage nie zu Renes Ohren vordringen wird.
    Während draußen der Flur summt, versuche ich, Vanessas Psychoblick zu ignorieren und mich zum Schreiben zu motivieren. Schreibblockaden sind wie Sexprobleme in der Beziehung: Wenn nichts mehr geht, darf man nicht zu lange darüber nachdenken, sondern muss es einfach tun, egal wie schlecht. Es zählt nur die Überwindung der Blockade, nicht die Qualität. Also schreibe ich drauflos, ohne zu beachten, ob der Text Sinn macht. Super. Wieder eine Blockade gesprengt. Früher saß ich manchmal tagelang über einem kurzen Text, damit er garantiert fehlerlos, die Fakten verständlich und der Stil packend waren. Heute mühe ich mich ebenso lange ab, bis der Text belanglos genug ist, damit Gerd ihn mir abnimmt. Gott, würden Wallraff oder Leyendecker mich jetzt sehen, müsste ich Seppuku begehen.
    Der erste Entwurf wird eine Mischung aus Psychogramm über den geistigen Zustand von Caro-Fans und ein Pamphlet gegen die allgemeine Verblödung der Gesellschaft, vor allem meiner eigenen – wieso sitze ich hier, wenn Eva im Flugzeug sitzt? Gute Frage. Hat leider nichts mit der Kolumne zu tun. Ich lösche alles und grübele über einen neuen Anfang.
    Stattdessen geben meine Finger »Tofino« bei Google Maps ein. Ein Dorf. Liegt in einem Indianerreservat an der Spitze einer Halbinsel in British Columbia. Ich tippe die Route Köln – Tofino ein, und das Programm nimmt mich ernst: Bahn nach Frankfurt, Flug nach Vancouver, mit Mietwagen auf eine Fähre und dann weiter nach Tofino. Die Anreise vor Ort dauert wohl noch mal sieben bis acht Stunden, von Vancouver aus. Ich klicke mich durch Tofino und finde ein unglaubliches Hotel auf einem Felsenvorsprung mitten in den Wäldern, das einen eigenen Strand hat. Dort irgendwo wird Eva morgen surfen. Verrückt. Surfen in Kanada. Sie muss den Verstand verloren haben. Da ich schon dabei bin, checke ich mal das Wetter. Tofino, Kanada, sonnig, dreiundzwanzig Grad. Hm.
    Als ich auf eine Fluggesellschaft klicke, öffnet sich als Erstes ein Sonderangebot nach Vancouver. Wenn ich an Zeichen glauben würde … Aber ich glaube ja nicht daran. Zeichen sind genauso überschätzt wie Verliebtheit. Bevor ich mit Isa zusammenkam, hatte ich eine Affäre mit einer Anwältin. Verena war attraktiv, gut im Geschäft und wusste, was sie wollte: einen standesgemäßen Begleiter. Meine Vorgänger waren allesamt bekannte und / oder reiche Männer gewesen. Normalerweise wäre ein Journalist gar nicht auf ihrem Radar aufgetaucht, aber als wir uns kennenlernten, war uns beiden der Wagen auf demselben Parkplatz abgeschleppt worden. Wir teilten uns ein Taxi zum Parkplatz des Abschleppunternehmens und stellten fest, dass wir a) beide einen weißen Audi fuhren und b) am selben Tag Geburtstag hatten. Als dann noch herauskam, dass ihr Sohn ebenfalls Mads hieß, war für sie die Sache klar: Das Schicksal hatte uns zusammengeführt.
    Von da an waren wir ein Paar, und es lief erstaunlich gut. Abgesehen von meiner Panik davor, dass sie neue Zeichen finden könnte, die uns genauso zuverlässig trennen würden, wie sie uns zusammengebracht hatten. Aber sie sah nichts. Nach zwei Monaten lernte ich ihren siebenjährigen Sohn kennen – und mochte ihn nicht. Das einzige Kind in meinem Leben, das ich gar nicht mochte, und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Er saß immer da und starrte mich an, wie Damien , das Horrorkind. Wenn Verena nicht hinsah, schlug und kniff er mich. Ich versuchte alles, reden, spielen, Distanz, Nähe, Belohnung, Strenge, doch nichts half. Der Kleine spürte genau, was los war, und ließ nichts unversucht, um seine Mutter gegen mich aufzubringen. Verena meinte, es sei bloß eine Frage der Zeit. Sie lag falsch. Nach vier Monaten hasste der Kleine mich umso mehr, und ich mochte

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