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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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wegfahren würdest?«
    »Ja.«
    »Aber ich wusste nicht, dass du wegfährst.«
    Sie runzelt die Stirn.
    »Himmel, ja.« Sie kratzt sich kopfschüttelnd an der Stirn. »Ich verliere schon den Verstand.«
    Ich hebe eine Hand und deklamiere.
    »Wenn der Verstand leicht verwundbar ist, wenn er alle Unterstützung, alle Erklärungen verloren hat, wenn er nackt ist, dann wird er die Glückseligkeit der Wahrheit erfahren.«
    »Du liest Krishnamurti?«, fragt sie überrascht.
    »Wer?« Ich werfe ihr einen Blick zu und sehe fragende Augen. »Der Satz stand in einer Zitatesammlung, die ich von meinem Vater geerbt habe, gleich neben ›Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende‹ von Woody Allen.«
    Als sie nichts dazu sagt, werfe ich ihr noch einen Blick zu und bleibe an ihren Augen hängen. Ihr Blick verrät mir, was ich wissen muss und was ich besser nicht wüsste. Ihre Hand verlässt meinen Schenkel, schleicht sich in meine Schalthand und nistet sich dort ein. Ich schaue wieder nach vorne, überrascht, dass wir uns immer noch auf der Straße befinden. Über uns steigt ein Flugzeug in den Himmel. Der Flughafen nähert sich. Ihre Hand drückt meine.
    »Komm mit«, flüstert sie.
    »Bleib hier.«
    »Ich kann nicht.«
    »Ich weiß.«
    Und ich kann nicht auswandern. Die Kinder. Und Rene. Viele Gründe sind es nicht, die mich hier halten. Aber gute. Früher hätte ich noch den Job genannt.
    Wir biegen ab zum Flughafen, rollen über die Verkehrsberuhigung. Vor Terminal zwei will ich aussteigen, doch sie legt ihre Hand auf meinen Arm. Ihr Blick ist dunkel, ihre Lippen zittern. Sie sagt nichts. Ihre Augen schimmern. Sie lehnt sich rüber und umarmt mich. Als ich ihren Geruch rieche, muss ich die Zähne zusammenpressen, um nichts Blödes zu sagen.
    »Und wenn ich nachkommen möchte?«, flüstere ich. »Was dann?«
    »Hör auf«, flüstert sie.
    »Und wenn doch?«
    »Hör auf!« Sie löst sich aus meiner Umarmung. Ihre Augen sind nass. Ihr Blick weicht meinem aus. »Ich will das nicht mitschleppen.« Ihre Stimme ist tonlos und flach.
    Ich lege meine Hand auf ihre Wange.
    »Verdammt, Eva, ich verlange doch nicht, dass du deine Pläne meinetwegen änderst. Ich will bloß wissen, wo ich dich finden könnte, wenn ich nachkommen würde.«
    Sie greift nach dem Türgriff. Ich halte die Luft an und weiß nicht, was ich tun soll, wenn sie jetzt einfach aussteigt. Doch sie sitzt nur da. Ihre Hand ruht auf dem Türgriff. Sie schaut starr nach vorne.
    »Ich lande in Vancouver und fahre direkt nach Tofino«, spricht sie mit leiser Stimme. »Dort bleibe ich drei Tage zum Surfen, danach beginnt meine Kanada-Rundreise.« Endlich hebt sie ihren Kopf und schaut mich an. In ihrem Gesicht liegt eine Härte, die ich noch nicht kenne. »Mads, ich warte nicht auf dich. Dienstag reise ich weiter, ich bin dann weg.«
    »Wie finde ich dich da?«
    Sie schüttelt ihren Kopf leicht von einer Seite zur anderen, als könnte sie es nicht glauben, was wir hier tun.
    »Tofino ist klein. Bevor man auf der Hauptstraße ins Dorf reinkommt, gehen ein paar Wege ab; wenn man den ersten Weg rechts abfährt, kommt man zu meinem Hotel. Das ist ein rotes Holzhaus und steht auf einem Steg am Wasser, man kann es nicht verfehlen.« Sie setzt einen Atemzug aus. »Jetzt gehe ich.« Als sie mich anschaut, schwimmen ihre Augen. »Ich gehe jetzt, ja?«
    Ich versuche ein Lächeln. Wir schauen uns in die Augen, und mein Herz zieht sich zusammen, und eine Uhr tickt, und draußen fährt ein Wagen vorbei. Es ist ein ganz normaler Montagmorgen für viele Leute.
    Sie öffnet die Tür und steigt wortlos aus. Ich schaue zu, wie sie mit der Tasche in die Abflughalle verschwindet. Sie dreht sich nicht um. Als die Tür sich schließt, habe ich die idiotische Hoffnung, dass sie sich gleich wieder öffnet und sie zurückkommt. Idiotisch. Zur Sicherheit bleibe ich stehen, bis ein Taxifahrer mich auffordert, weiterzufahren. Sie kommt nicht.
    Im Rückspiegel wird der Flughafen kleiner. Nichts passiert. Wieder kein Pech. Niemand hält mich auf. Kein vergessener Reisepass im Wagen. Nichts. Hab das Gefühl, mein Herz springt aus der Brust. Atmen schmerzt, und hinter meiner Stirn pocht es. Ich schaffe es auf den nächsten Parkplatz, springe aus dem Auto und brülle, so laut ich kann. Ein Elternpaar, das ein pinkelndes Kind in ein Gebüsch hält, schaut argwöhnisch zu mir herüber. Der Mann schiebt sich vor seine Familie und behält mich im Auge. Über mir steigt ein Flugzeug in den Himmel, und ich

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