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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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bin hellwach. Sicher wegen des Kaffees. Vielleicht wegen des Schocks. Vielleicht weil ich mich einsam fühle. Nicht nur Betroffene sollten nachts nicht alleine sein. Ein Flieger landet bald in Vancouver. Es wäre schön, jetzt mit ihr darüber reden zu können. Nur ein paar Sätze. Einfach ihre Stimme hören. Hallo! Du kennst sie erst zwei Tage! Ja. Hormone sind Trottel. Ich weiß. Doch das ändert nichts an meinem Verlangen. Eva fehlt mir in allen Nervenenden und Synapsen.
    Ich werfe noch einen Blick ins Schlafzimmer. Sie schlafen. Würde ich auch gerne, aber es geht nicht, also mache ich mich nützlich. Ich schnappe mir einen Stapel Aktenordner. Mit Renes gesammelten Versicherungsunterlagen ziehe ich mich in die Küche zurück und mache mich darüber her. Es ist zu erwarten, dass die Kinder überversichert und sie selbst unterversichert ist. Mütter.
    Keine Atembeschwerden. Ich öffne ein Auge. Die Uhr zeigt halb sieben. Mein Bett ist leer, bis auf den Aktenordner und verschiedene Versicherungspolicen. Eine dünne Sonne scheint durch einen Schlitz in der Gardine. Draußen wird es ein schöner Tag. Natur ist unsensibel.
    Als ich in die Küche komme, sitzen bereits alle anderen am Tisch und frühstücken. Ich bleibe überrascht stehen.
    »Guten Morgen.«
    Lola schlürft, Oscar kaut, Rene liest. Niemand antwortet. Rene sieht müde aus. Es könnte ein Tag wie jeder andere sein, wenn nicht Krebs-Krebs-Krebs in meinem Kopf hämmern würde. Wer weiß, wie es in ihrem aussieht. Jetzt schön normal bleiben.
    Oscars Blick flattert an mir herunter.
    »Keine Sorge, deiner wird auch so groß«, sage ich und verschwinde ins Badezimmer.
    Als ich aus der Dusche komme, lehnt Rene am Waschbecken und hält mir ein Handtuch entgegen.
    »Was sollte der Mist eben? Glaubst du etwa, deiner ist groß?«
    Ich schnappe mir das Handtuch und beginne, mich abzutrocknen.
    »Na ja, größer als seiner, und ich möchte nicht, dass er sich deswegen Sorgen macht.«
    »Er braucht sich keine Sorgen zu machen, wenn er nach seinem Vater kommt.«
    »Gut zu wissen«, sage ich und beäuge sie.
    Sie lehnt am Waschbecken und beobachtet sich im Spiegel. Nichts deutet darauf hin, dass sie die schlimmste Nacht ihres Lebens hinter sich hat. War es vielleicht nicht. Vielleicht noch lange nicht. Scheiße.
    Mein Blick wandert zu ihren Brüsten, die sich unter dem T-Shirt abzeichnen. Dann suche ich ihr Gesicht nach Hinweisen ab, wieso sie mir ins Bad gefolgt ist. Was immer der Grund ist, ich habe auch für sie eine kleine Überraschung. Das wird sie verflucht noch mal umhauen.
    »Weißt du, was die beste Früherkennung ist?«, sagt sie und stülpt ihre Hand vorsichtig über die Wölbung ihrer linken Brust. »Wenn sie regelmäßig abgetastet werden. Aber nicht mal ich habe mich in den letzten Jahren angefasst. Niemand berührt meine Brust, und jetzt stirbt sie.«
    Oh Mann …
    »Wär ich bloß ein Junge«, murmelt sie.
    »Dann hättest du die Kinder nicht«, entgegne ich.
    »Wäre vielleicht besser.«
    Ich mache einen Schritt auf sie zu und schaue ihr ins Gesicht.
    »Was redest du für einen Scheiß?«
    Sie verpasst mir einen dunklen Blick.
    »Meine Mutter hatte es, ich hab’s, was, glaubst du, wird Lola …«
    Ihre Stimme bricht. Sie beißt die Zähne zusammen, senkt den Kopf, lehnt sich vor und fasst mit beiden Händen an das Waschbecken, als suche sie Halt. Das ist eindeutig der schwerste Anfall von Selbstmitleid, den ich je bei ihr miterlebt habe. Gut, dass ich heute Nacht vorgearbeitet habe. Genau in diesen Situationen kommt man mit Fakten weiter. Vor allem, wenn man sie polemisch einsetzt.
    »He, Süße, entschuldige«, sage ich und stoße sie leicht an der Schulter. »Die Situation ist beschissen, aber tu mir einen Gefallen und verbreite jetzt keine Panik. Man geht heute davon aus, dass mehr als neunzig Prozent der Brustkrebserkrankungen nicht auf Vererbung zurückgehen. Das Risiko für Lola, an Brustkrebs zu erkranken, wäre höher, wenn sie eine sechzigjährige fettleibige Alkoholikerin wäre, aber verdammt, sie ist erst sieben , gertenschlank und soviel ich weiß, säuft sie auch nicht heimlich, also stehen die Chancen nicht so schlecht, dass sie die Einschulung erlebt, okay?«
    Sie hebt den Kopf und starrt mich im Spiegel mit kleinen harten Pupillen an.
    »Willst du mir was über …«
    »Ja, verflucht, ich will dir was über Brustkrebs erzählen! Brustkrebs ist eine Scheißkrankheit, aber dass deine Mutter daran gestorben ist, bedeutet nicht, dass

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