Die Beste Zum Schluss
völligen Genesung, was das auch immer bedeuten mag.«
Sie starrt mich an.
»Mit so was scherzt man nicht.«
Ich schaue sie bloß an und lasse mir nichts entgehen. Ihr Mund öffnet sich zu einem kleinen O. Sie schüttelt den Kopf, als ihr klar wird, dass sie plötzlich keine Geldsorgen mehr hat.
»Das gibt’s doch nicht …« Sie schnappt sich die Police und lässt ihre Augen darüberlaufen wie ein Scanner. »Ich verdiene mehr, wenn ich krank bin, als wenn ich arbeite?«
»Von wegen Scheißdate, was?«, grinse ich.
Sie verpasst mir das erste wirkliche Lächeln des Tages.
»Jesus Maria! Ich hätte doch mit ihm schlafen sollen!«
»Er hat mich mal angerufen und nach dir gefragt. Ich hab noch seine Nummer. Willst du sie?«
»Eine Frau ohne Titten, das ist bestimmt sein großer Traum«, sagt sie und tötet den leichten Augenblick effektiver als ein Kopfschuss.
Ich schnappe ihr die Police weg und schüttele den Kopf.
»Tu das nicht.«
»Was?«
»Das.«
Wir schauen uns in die Augen. Schließlich atmet sie ein und nickt.
»Okay.«
»Außerdem macht es keinen Sinn, deinen Job von hier aus zu erledigen. Da kannst du auch gleich ins Büro fahren. Meinst du, die Kinder haben was von dir, wenn du hier rumsitzt und telefonierst? He, der Eingriff ist in drei Tagen, wann willst du denn mit deiner Auszeit anfangen? Auf dem o p -Tisch?«
»Ja, aber –«
»Scheiß drauf«, unterbreche ich sie. »Lass dir doch ’ne örtliche Betäubung geben, dann kannst du während der o p weitertelefonieren.«
Sie mustert mich wütend, dann senkt sie den Kopf und denkt nach. Nach ein paar Sekunden schaltet sie ihr Handy aus. Ich wusste gar nicht, dass sie den Knopf kennt. Sie legt es auf die Sitzbank, verschränkt die Arme und schaut mich demonstrativ an.
»Ich werde mich ändern.«
»Gut.«
»Jetzt, wo ich reich bin, kann ich mich ja entspannen.«
»Ja.«
Wir mustern uns, sie zieht eine Schnute.
»Du glaubst, ich kann das nicht?«
»Du bist ein arbeitssüchtiger Kontrollfreak und musst vom Handy entwöhnt werden wie ein Heroinsüchtiger vom Stoff.«
Sie wirft einen von Oscars Spielzeugsoldaten nach mir. Ich ducke mich. Er zischt an mir vorbei, prallt von der Balkontür ab und springt über die Balkonbrüstung.
»Clever«, sage ich anerkennend. »Jetzt kannst du deinem Sohn erklären, dass sein General den Freitod gewählt hat.«
Sie hört mir nicht zu.
»Ich schaffe das«, sagt sie und nickt, mehr für sich selbst. »Ich schaffe das.«
»Dann tu es doch einfach und hör auf rumzuzicken.«
Sie lächelt seltsam. Dann legt sie die Police weg und nimmt meine Hand.
»Lass uns den Krebs auslachen«, sagt sie.
»Was?«
Sie nickt.
»Wir machen Witze drüber.«
»Krebswitze …?«
Sie nickt wieder. Ich schaue sie an. Sie zieht die Schultern hoch.
»Ich habe Krebs, okay, aber ich bin immer noch derselbe Mensch wie letzte Woche.« Sie setzt sich aufrecht hin. »Gegen die Krankheit kann ich nichts tun, aber gegen das Getue, Schweigen, komische Benehmen, dagegen kann ich was tun.« Sie nickt vor sich hin. »Ich bin immer noch ich, Schluss mit dem Gejammer.«
»He, die Einzige, die sich wie ein Waschweib aufführt, bist du. Fast hättest du heute ein bisschen geweint, du Schlaffi.«
»Stimmt.« Sie lächelt. »Wird nicht mehr vorkommen.«
Oh Mann. Sie macht sich Sorgen, ob sie zu weinerlich rüberkommt.
»Ich meine es ernst«, sagt sie.
»Ich weiß«, sage ich und versuche, nicht die Augen zu rollen.
»Die Sache hat ja auch Vorteile«, erklärt sie mir. »Ich werde mehr Zeit mit den Kindern verbringen.«
»Stimmt. Und ich habe gelesen, dass deine Haare nach der Chemo dichter und voller nachwachsen werden, weil die Zellen runderneuert werden.«
»Wirklich?« Sie mustert mich überrascht. »Cool. Außerdem habe ich ja plötzlich auch keine Geldsorgen mehr. Ich bin eigentlich das perfekte Beispiel für Krankheit als Chance.«
Ihr Wechsel ins Heitere geht mir eine Spur zu schnell, aber ich bin der Letzte, der gegen Rumalbern Einspruch erhebt. Ich schlage mir mit der Handfläche gegen die Stirn.
»Oh verdammt, pass auf!«
»Was??«, sagt sie und schaut sich um.
»Ein Mann schlurft durch einen Krankenhausflur und murmelt: ›Krabben? Hummer? Austern?‹ Ein Arzt kommt vorbei und sagt: › Krebs , Herr Müller, Sie haben Krebs .‹«
Ich reiße den Mund auf und wackele mit den Ohren wie Fozzybär. Sie lächelt und drückt meine Hand.
»Ach Doofi, manchmal bist du einfach zu süß. Aber was ist blau, aus Plastik
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