Die Beste Zum Schluss
bleibe übers Wochenende und komme am Montag ohne die Kleinen wieder, dann haben wir noch einen Tag für uns. Bringst du mich am Dienstag ins Krankenhaus?«
»Ja.«
»Danke.«
Sie mustert mich mit einem Blick, der jetzt gerührt, sentimental oder traurig sein sollte. Ihrer ist trocken wie die Sahara.
»Ich weiß, Aachen ist nicht leicht für dich, aber … hast du nicht Lust, uns zu besuchen?«
»Doch, darum komme ich gleich mit.«
Das überrascht sie.
»Jetzt sofort?«
»Yep.«
Sie mustert mich und versucht dahinterzukommen.
»Musst du nicht zur Arbeit?«
»Hab Urlaub.«
Ihr ist anzusehen, dass sie mir kein Wort glaubt, aber immerhin will sie nicht diskutieren.
»Gut«, sagt sie erleichtert, »dann lass uns los. Ich will raus hier.«
»Ist es in Ordnung, wenn ich mir vorher eine Hose anziehe? Sonst kriegt dein Sohn vielleicht doch noch Komplexe.«
Sie zieht eine Grimasse und winkt ab.
»Pah, genieß das letzte Jahr, in dem du den Größten im Haushalt hast. Volker ist wirklich gut ausgestattet«, sagt sie und spitzt die Lippen. »Eigentlich einer der größten, die ich jema-«
»He, schon gut, ich hab’s kapiert.«
Sie lächelt, doch als sie das Bad verlässt, erreicht das Lächeln nicht ihre Augen. Manchmal reicht rumalbern nicht. Aber schaden tut es nie.
Nachdem Rene den Kindern erklärt hat, dass sie Opa besuchen, wenn jeder eine Tasche gepackt hat, hängt sie sich ans Telefon, um dem Sender zu erklären, dass sie eine Zeit lang ausfällt und er sich eine andere Agentur suchen muss. Ich höre einen Augenblick zu, wie sie versucht, eine befreundete Agentur als Ersatz zu empfehlen, und gehe ins Kinderzimmer, um die Reisetaschen der Kinder zu kontrollieren. Lolas ist gut gepackt. Oscars ist voller Spielzeug.
»Na, freut ihr euch schon auf Opa? Wird toll, oder?«
Oscar lärmt ein Ja. Lola mustert mich mit ihrem Mona-Lola-Blick. Das schiebt mir ein dickes Schuldgefühl in die Seele und schraubt es dort fest. Ich schwöre mir, sie nie wieder anzulügen. Ein Schwur, den ich jetzt schon zweimal gebrochen habe. Erwachsener zu sein ist manchmal ein Scheißjob.
Ich zeige auf Oscars Tasche.
»Das ist nicht gut gepackt. Du brauchst auch etwas zum Anziehen. Versuch’s noch mal. Sobald du fertig bist, können wir los.«
Oscar kippt die Tasche aus und beginnt, sie mürrisch noch mal zu packen.
»Ich helfe dir«, sagt Lola und packt für ihn. Oscar schaut stirnrunzelnd zu, wie sie seine Tasche umräumt. Als sie voller Kleidung ist, versucht er sein ganzes Spielzeug obendrauf zu packen, was natürlich nicht klappt. Also fliegen ein paar Pullis wieder raus. Schließlich haben sie es geschafft. Der Inhalt ist ungefähr derselbe wie vorhin, sieht jetzt aber viel ordentlicher aus. Ich lobe beide, parke sie ausnahmsweise vor dem Fernseher, schalte kik a ein, gehe ins Zimmer zurück und packe Oscars Tasche noch mal. Dann marschiere ich los, um Renes Tag zu verändern, und wahrscheinlich auch ihre Zukunft.
Ich finde sie auf dem Balkon. Sie telefoniert. Überraschung.
»Wenn du so viel delegierst, kannst du auch gleich alles selbst machen«, sage ich und quetsche mich neben sie auf die Bank.
Sie gibt mir ein Zeichen, dass ich die Klappe halten soll.
»Willst du gar nicht wissen, was ich hier habe?«
Sie mustert das Blatt Papier, das ich ihr vor die Nase halte. Sie kneift die Augen zusammen. Jaja, ein Königreich für eine Lesebrille. Sie wirft mir einen fragenden Blick zu und sucht in meinem Gesicht nach Hinweisen. Ich wedele mit dem Blatt herum. Sie verabschiedet sich am Telefon und betrachtet das Dokument neugierig.
»Was ist das?«
»Wonach sieht es aus?«
»Eine Versicherungspolice.«
»Und?«
Ihre Augen blitzen auf, als ihr klar wird, dass ich ihr das Ding bestimmt nicht ohne Grund zeige. Sie boxt mich auf den Arm.
»Sag schon!«
»Erinnerst du dich an den Finanzdienstleister, mit dem du mal ausgegangen bist?«
Sie runzelt die Stirn und mustert die Police.
»Er hat mir also doch was angedreht …«
»Allerdings!«, lache ich und wedele noch mal damit herum. »Du hast eine private Unfallversicherung, und sie ist nicht mal schlecht. Du bekommst Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld. Himmel, hast du denn überhaupt keinen Überblick über deine Ausgaben? Du zahlst dafür!«
»Ist nicht dein Ernst …«, sagt sie staunend und schielt leicht bei dem Versuch, die fett gedruckten Zahlen auf dem Papier zu erkennen. »Wie viel?«
»Einhundertfünfzig Euro ab dem ersten Krankenhaustag bis zur
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