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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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zusammen gehen sie langsam zum Haus. Rene kuschelt sich an ihn und sieht aus, als hätte man sie in eine warme Decke gehüllt. Er ist ein Mann, der fünfzig Jahre Bau unbeschadet überstanden hat und seine Frau sieben Jahre lang pflegte, als sie erkrankte und schließlich nach vielen Operationen verstarb. Nie wirkte er auf mich unentschlossen oder zögerlich. Er ging stets Schritt für Schritt in die Richtung, in die er gehen musste, bis die Straße aufgab und endete.
    Ich werfe einen weiteren Blick die Straße runter. Es stehen Kinderfahrräder vor dem Zaun. Die Hecken sind auf Kopfhöhe gestutzt. Früher waren sie höher. Tja. Jetzt wohnt da eben jemand anderes. Vielleicht saß hier damals jemand und schaute zu, wie mein Fahrrad da stand, und dachte dasselbe. Der Gang der Dinge. In jedes Heim wird nach uns jemand einziehen. Wir sind bloß zu Besuch. Und einer der Momente, die mich gelehrt haben, lieber Müll zu denken, als sich runterziehen zu lassen. Aber mir fällt nichts mehr ein, außer dass es eigentlich blöd ist, sich von einem Haus runterziehen zu lassen.
    Ich marschiere in den Garten. Renes Vater kommt mir entgegen. Ich strecke ihm die Hand entgegen. Er drückt sie mit seiner Pranke, während er mich schweigend mustert.
    »Willkommen, Junge«, sagt er dann. »Alles in Ordnung?«
    Da ich nicht genau weiß, ob die Frage meiner Verfassung oder der seiner Tochter gilt, nicke ich einfach. Eigentlich müsste er längst Bescheid wissen, da die beiden vorhin telefoniert haben, aber falls nicht, werde ich ihm nicht die Botschaft im Garten überbringen.
    Ich werfe dem blauen Haus noch einen Blick zu, dann tragen wir Gepäck und Susis Käfig ins Haus. Rene bezieht das Gästezimmer, weil es das größte Bett hat, in dem sie die Kinder nachts auffangen kann. Mir wird ihr altes Kinderzimmer zugeteilt. Bevor ich darin verschwinde, kommt Lola mir im Flur entgegen.
    »He Süße, ich schlafe im Kinderzimmer. Kannst mich dort jederzeit besuchen.«
    Sie senkt den Kopf. Ich knie mich vor sie und streiche ihr ein paar Haare aus dem Gesicht.
    »Süße, alles in Ordnung?«
    Sie nickt, ohne mich anzuschauen.
    »Freust du dich, wieder bei Opa zu sein?«
    Sie nickt.
    »Redest du nicht mehr mit mir?«
    Sie senkt den Kopf noch weiter.
    »Bist du sauer auf mich?«
    Sie antwortet nicht.
    »Ist es wegen Eva? Sie war nur zu Besuch. Jetzt ist sie weit weg und kommt nicht wieder.«
    Sie mustert den Boden ausgiebig.
    »Okay.« Ich richte mich auf. »Wenn du Fragen hast, frag mich, ja? Ich würde mich wirklich freuen, wenn du wieder mit mir redest.«
    Ich gebe ihr den Weg frei. Sie steht noch einen Augenblick da, dann zieht sie weiter. Bevor sie um die Ecke biegt, wirft sie mir einen Blick zu. Als sie sieht, dass ich ihr nachschaue, schaut sie schnell wieder weg. Hm.
    Ich habe Dramatisches erwartet, aber alles wirkt normal. Oscar jagt seit einer Stunde Sulke durch den Garten, der langsam die Zunge hängen lässt. Lola schaukelt mit ihrem Opa auf der Baumschaukel. Rene und ich sitzen auf der Veranda, trinken Kaffee und knabbern Kekse. Der Himmel ist blau, der Wind frisch – ein Tag wie jeder andere. Bis auf die Tatsache, dass der Mensch, dem ich am meisten vertraue, Krebs hat und irgendwo in Kanada ein Mädchen auf mich wartet und ich sie nicht erreichen kann.
    Rene steckt die Nase nach oben und schnuppert in die Luft.
    »Riechst du das?«
    »Ja, warst du das?«
    »Blödmann«, sagt sie und breitet die Arme aus. »Riech doch mal: Der Garten duftet wie früher.«
    »So riecht jeder Garten.«
    »Nein, so riecht nur unser Garten.« Sie boxt mich lässig auf den Arm. »Wie ist es denn so für dich, hier zu sein? Kippst du wieder um?«
    Ich seufze. Sie mustert mich.
    »Es sind nur Erinnerungen«, sagt sie. »Die können dir nichts tun.«
    Wenn sie wüsste … Hundert zu eins, dass sie gleich einen Hausbesuch vorschlägt.
    »Lass uns losziehen und uns die Sache anschauen.« Sie nickt zu dem kleinen Loch in der Hecke, durch das wir uns früher von Garten zu Garten geschlichen haben. Es ist immer noch da. Und führt immer noch zu einem blauen Haus. »Was ist, traust du dich nicht?«
    »Achtung!« Ich zeige auf ihren Arm. »Wespe!«
    Sie kennt meine Ablenkungen mittlerweile ganz gut, also dauert es einen Augenblick, bis sie betont gelangweilt an sich hinunterschaut und die Wespe auf ihrem Pulli entdeckt. Mit einem Schrei springt sie auf und schlägt um sich. Alle schauen zu uns rüber. Ich winke ab.
    »Sie wird’s überleben.«
    Ihr Vater starrt

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