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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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denen ich Oscar blutend im Arm hielt und versuchte, Volker am Set zu überreden, eine o p zu erlauben … Und jetzt das. Call me Papa!
    Mein Blick wird unscharf. Ich blinzele ein paar Mal, und als das nicht hilft, wische ich mir unauffällig über die Augen. Rene rutscht fast von der Stuhlkante, ich lege ihr einen Arm um die Schulter und halte sie fest.
    »Und, was wirst du Volker sagen?«
    Wieder macht sie diese abwertende Handbewegung, die sie neuerdings für Volker reserviert zu haben scheint. Wieder rutscht sie fast vom Stuhl.
    »Er wird erleichtert sein und die Zwerge auch. Ich habe sie gestern gefragt, wann sie Volker mal wieder besuchen möchten. Lola sagte nichts, und Oscar wirkte, als müsste er erst überlegen, wen ich meine. Ich glaube, es ist besser, die Sache nicht länger künstlich am Leben zu halten. Volker hatte sechs Jahre Zeit, um eine Beziehung zu den Kindern aufzubauen, aber er hat es verbockt.«
    Die Nacht ist voller Überraschungen. Dies war das erste Mal, dass ich mitbekomme, wie sie etwas Schlechtes über Volker sagt. Volker, hör die Signale …
    »Bist du sicher?«
    Sie nickt nachdrücklich.
    »Dieser verdammte Idiot«, schimpft sie. »Wenn ich daran denke, was ich alles getan habe, um ihm die Tür aufzuhalten … Solange ich gesund war, ging das, aber ich kann das nicht mehr, ich will das auch nicht mehr. Und sein Umgangsrecht bleibt ja, wenn er die Kinder mal sehen will. Ich möchte bloß ausschließen, dass er eines Tages auf blöde Gedanken kommt. Übrigens, mein Hintern tut weh.«
    »Zu viel Information!«
    »Von dem Stuhl!« Sie steht lachend auf und verpasst mir einen Schwinger auf den Arm. »Du bist manchmal so ein Hirni.«
    »Aber du willst mich trotzdem heiraten.«
    »Nur im Notfall, Süßer, nur im Notfall.«
    »Apropos … ich habe dir auch was zu sagen.«
    »Ach ja?« Sie geht um den Tisch herum, setzt sich auf den anderen Stuhl und schaut mich erwartungsvoll an. »Lass hören.«
    Bevor ich etwas sagen kann, kommt Oscar rein, und vorbei ist es mit dem Dialog. Er tritt Sulke auf die Pfote, kippt Renes Tasse um und erzählt uns von einem Traum, in dem er Formel- 1 -Weltmeister wurde. Es ist, als wäre eine Küchenwand aufgeklappt und man befindet sich plötzlich in einer Zirkusmanege. Von dem Krach wird sogar Lola wach. Sie kommt rein und klettert auf den Schoß ihrer Mutter.
    »Morgen«, sage ich.
    Sie antwortet nicht. Rene signalisiert mir, dass ich es nicht persönlich nehmen soll. Aber ich nehme es persönlich. Ab heute nehme ich endlich wieder alles persönlich.
    Wir machen Frühstück und decken den Tisch. Ich mache einen frischen Kaffee. Rene stupst mich an.
    »Was wolltest du mir sagen?«
    Oscar kippt Lolas Müsli um. Die Schüssel fällt vom Tisch und zerschellt auf dem Boden. Lola zieht quietschend die Beine an, um nichts abzubekommen. Rene schnauzt Oscar an, der erklärt, dass er nichts dafürkann. Seine Ausreden werden immer fantasievoller. Sulke und Susi stürzen sich auf die Milchlache, die sich auf dem Fußboden ausbreitet. Niemand bemerkt, dass ich gehe.
    Das Haus ist frisch gestrichen und hat einen kleinen Vorgarten mit gepflegten Blumenbeeten. Als ich meinen Finger auf die goldene Türklingel drücke, schlägt mein Herz bis zum Hals. Ich trete ein paar Schritte zurück.
    Die Tür öffnet sich. Ein Mann wird sichtbar. Henning. Er sieht aus, als hätte er keine Sekunde geschlafen. Als er mich erkennt, starrt er mich wieder an, als sei ich nicht echt, und schwankt zwei Schritte in den Hausflur zurück. Ich hebe meine Hände.
    »Ich will nicht darüber reden«, sage ich. »Ich will nur sagen, dass es okay ist. Jeder macht Fehler, und ohne Glück geht’s nicht.« Ich atmete tief durch. »Ich will an sie denken können, ohne mich beschissen zu fühlen, und darum will ich …« Ich komme ins Stocken. Was will ich eigentlich? »Frieden.«
    »Es tut mir so leid«, flüstert er.
    »Mir auch.«
    Ich strecke ihm meine Hand entgegen. Er ergreift sie, und ich schüttele die Hand eines Menschen, mit dem mich seit einem kleinen Augenblick sein ganzes Restleben verbindet. Bis jetzt. Ab heute wird er nur noch jemand sein, der an demselben Tag kein Glück hatte wie meine Eltern.
    Ich lasse ihn los, nicke ihm zu, drehe mich um und verlasse das Grundstück. Als ich im Wagen sitze, steht er am Gartentor und schaut zu mir rüber. Neben ihm steht jetzt eine Frau im Morgenmantel, um die er einen Arm gelegt hat. Als ich losfahre, winkt sie scheu. Ich winke zurück. Ich fühle mich

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