Die Beste Zum Schluss
euphorisiert, erfrischt, beruhigt, frei. Bei mir. Wieso habe ich das nicht früher getan?
Auf dem Rückweg durch ein noch stilles Aachen hat sich die Welt nicht verändert, doch in meiner ist alles anders.
Renes Vater steht vor dem Haus, als hätte er geahnt, dass ich komme. Vielleicht hat er einen Sender an meinem Wagen versteckt, und wenn ich die Stadtgrenze überfahren hätte, hätte er mit einem Haufen brettharter alter Maurer die Verfolgung aufgenommen.
Ich parke ein, steige aus und nicke ihm zu.
»Ich heirate sie, und die Kinder nehme ich auch, gut so?«
Er verzieht ein paar Falten, und zum ersten Mal seit Jahren merke ich ihm Freude an, wenn es um mich geht.
»Tut mir leid, Junge, da bin ich wohl mit der Tür ins Haus gefallen.« Er streckt die Hand aus. »Deine Eltern wären stolz auf dich«, sagt er. »Du bist ein Mann geworden, der seine Leute nicht im Stich lässt.«
Ich spanne mich gegen den Stich an, der immer folgt, wenn meine Eltern erwähnt werden – doch er bleibt aus. Ich greife zu, und schon schüttele ich zum zweiten Mal eine Hand an diesem Tag, einmal Frieden, einmal Hochzeit. Und ich hatte noch nicht mal ein Frühstück. Guten Morgen.
Als wir in den Garten gehen, sitzt eine Familie am Verandatisch und frühstückt. Rene trägt einen Trainingsanzug und sieht immer noch sehr zufrieden aus. Sie winkt. Ich winke zurück. Oscar kaut angestrengt. Lola steckt ihren Kopf in die Müslischüssel und tut, als hätte sie mein Winken nicht gesehen – aber dazu gehören zwei. Ich eile auf die Veranda, knutsche sie auf den Scheitel und nutze die Gelegenheit, um kurz an ihren Haaren zu schnuppern.
»So, Kinder, ich muss eure Mutter für ein paar Minuten entführen. Ich bringe sie gleich zurück.«
Keine Reaktion von den Kindern, nur Rene hebt fragend die Augenbrauen.
»Außerdem sind Mädchen schlauer als Jungs«, füge ich hinzu.
Oscar runzelt die Stirn und hebt den Blick.
»Sie sind auch stärker«, lege ich nach.
»Bäh!«
»Und sehen besser aus.«
Was zu viel ist, ist zu viel. Er knallt mich mit seinem Löffel ab, schafft es, Renes Kaffeetasse umzukippen, handelt sich einen Anschiss ein und eine Klage von Lola, die ein paar Spritzer auf ihr Kleid bekommen hat. Ich schnappe mir Renes Hand und ziehe sie zum Gartentor.
»Was wird das?«, fragt sie lachend.
»Gleich«, sage ich und nicke ihrem Vater zu. »Wir sind in einer halben Stunde wieder da.«
Er winkt, als würde er sagen, jetzt gehört sie dir, mach, was du willst. Rene folgt mir unentschlossen.
»Wo gehen wir hin?«
»Wart’s ab«, sage ich und öffne das Gartentor.
»Und wo warst du vorhin?«, will sie wissen.
»Wart’s ab«, sage ich und ziehe sie in Richtung Auto. »Ich hoffe nur, du hast geduscht.«
»Jesus.« Sie lacht. »Was hast du vor?«
»Wart’s ab«, sage ich und handele mir einen Klaps ein.
Im Auto sieht sie die Blumen und denkt, sie seien für sie. Bis ich das Missverständnis aufgeklärt habe, sind wir schon halb da. Ich versuche, sie in ein Detailgespräch über die Vorgänge der Nacht zu verwickeln, um zu sehen, was ein Salsatanzlehrerlatinlover so alles draufhat, aber sie stöhnt seinen Namen nur. Damit ist sie ganz gut beschäftigt. Sie wird erst aufmerksam, als ich den Wagen vor dem Friedhof parke. Sie schaut überrascht aus dem Fenster.
»Wollen wir da rein?«
»Ja.«
Sie sucht mein Gesicht nach irgendwelchen Anzeichen ab. Ich lasse sie sehen, was da ist. Sie verschränkt die Arme.
»Ich gehe keinen Schritt, bevor du mir nicht sagst, was mit dir los ist.«
Ich schnappe mir die Blumen und steige aus. Durch das Eingangstor sieht man einen langen, etwa drei Meter breiten Kiesweg, von dem weitere Wege abgehen. Ich marschiere los. Nach der zweiten Abzweigung knirschen Schritte neben mir, und eine Hand schiebt sich in meine.
»Wenn du mir nicht sofort sagst, was mit dir los ist …«
»Ich hab’s mit Eva versaut.«
Sie wirft mir einen fragenden Blick zu.
»Wie? Ich denke, sie ist ausgewandert? Doch nicht deinetwegen, oder?«
»Natürlich nicht, aber ich habe es nicht geschafft, ihr vorher klarzumachen, wie sehr ich sie kennenlernen will. Vielleicht hätte alles Reden eh nichts genutzt, sie ist schon in ihrer letzten Beziehung zugetextet worden, sie braucht vielmehr ein klares Zeichen, also gebe ich ihr jetzt eins. Ich fliege nach Kanada. In fünf Stunden geht mein Flug.«
Sie bleibt ruckartig stehen. Ich mache es ihr notgedrungen nach und schüttele meinen Kopf.
»Ich weiß, ich weiß, aber
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