Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Besteigung Des Rum Doodle

Die Besteigung Des Rum Doodle

Titel: Die Besteigung Des Rum Doodle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. E. Bowman
Vom Netzwerk:
wo er seine ganze Seele in eine leidenschaftliche Darbietung des schönen Fischerliedes »Caller Herrin« legte.
    Die Wirkung war verblüffend. Die Löwen brüllten, die Hunde heulten, die Elefanten trompeteten und stampften. Ein Akrobat stürzte auf einen Kollegen, und drei Clowns kündigten auf der Stelle.
    Aber diese Kleinigkeiten übersah Constant. Denn mit einem Lächeln vollendeter Glückseligkeit hatte sich Travers im Wasser aufgerichtet und begleitete Constant mit wohltönender Bassstimme.
    Der Zirkusmanager eilte herbei und bot Constant einen Vertrag mit fantastischem Gehalt an. Constant stieß ihn beiseite und lief schleunigst zu Stellas Garderobe. Gemeinsam kamen sie zurück, und Constant und Travers setzten ihr Duett fort.
    Stella stieß einen Liebesschrei aus und stürzte auf den entzückten Constant zu. Im selben Augenblick gab Travers ein donnerndes Gebrüll von sich. Überrascht wandte sie sich dem Tier zu und versuchte, seinen Kopf zu streicheln. Zu ihrem Entsetzen biss es sie in die Hand.
    Das war das Ende. Das Tier hatte seine Zuneigung auf Constant übertragen und empfand rasende Eifersucht auf Stella. Mit gebrochenem Herzen forderte sie ihn wütend auf, das Tier, das er ihr gestohlen habe, zu nehmen und abzuhauen. Er schloss Travers in seine Arme, und lief weinend mit ihm auf die Straße, wo er ein Taxi zum Zoo nahm. Die ganze Zeit hatte Travers seinen Part von »Caller Herrin« weiter vorgetragen.
    Constant weinte wieder und vergrub sein Gesicht im Schlafsack. Ich wartete, bis der Anfall vorbei war, und versicherte ihn dann meiner vollen Anteilnahme. Ich sagte, ichwisse, welche Erleichterung es ihm verschafft haben müsse, mir davon zu berichten. Er nickte. Er fühle sich schon besser, sagte er. Ja zum ersten Mal habe er sogar Hoffnung, dass er endlich über seine Trauer hinwegkommen werde.
    Ich wandte mich ab, um eine Träne wegzuwischen. Nicht immer stellt sich der Lohn der Führerschaft so unmittelbar und so intensiv ein. Nachdem ich meine Fassung zurückgewonnen hatte, fragte ich Constant, was aus Travers geworden war. Das Tier, so sagte er mir, habe im Zoo unter den männlichen Seehunden einen Gesangsverein gegründet, und an Samstagnachmittagen sang Constant mit ihnen.
    *
    Constant und ich schliefen schlecht in jener Nacht. Ich wurde von wiederkehrenden Albträumen heimgesucht, in denen mir Constant erschien, mit dem entsetzten Gesichtsausdruck jenes Augenblicks, als er in der uns folgenden Gestalt Pong erkannt hatte. Sobald die Gestalt jedoch näher kam, verwandelte sie sich in einen Seehund mit plattem Gesicht, der herzzerreißend schluchzte und sich in einem Schlafsack zu verstecken versuchte, der viel zu klein für ihn war. Ich erwachte unausgeschlafen. Auch Constant war übernächtigt, denn immer wieder hatten ihn Weinkrämpfe heimgesucht, die das Zelt beben ließen. Er sagte, das sei reine Gewohnheit und nicht länger ein Zeichen der Trauer. Das tröstete mich.
    Eigentlich waren wir überhaupt nicht in der Verfassung, um weiterzumarschieren. Der Berg jedoch erschien uns weniger schrecklich als die Aussicht auf Pongs Mahlzeiten. Leichten Herzens ließen wir ihn mit der Versicherung zurück, nie in unserem ganzen Leben so gut gegessen zu haben. Wir sagten ihm, wir würden im Nu zurückkehren, um wieder in den Genuss seiner kulinarischen Wunderwerkezu kommen. Das würde der Höhepunkt unserer Abenteuer sein, die Belohnung für die überwundenen Schwierigkeiten, der Silberstreifen am Horizont unserer Mühsal. Wir baten ihn dringend, an Ort und Stelle zu bleiben und uns nicht zu enttäuschen.
    Wir ließen ihn finster dreinblickend beim Abwaschen zurück.
    Zum Lager 1 nahmen wir die Route, die uns Wish beschrieben hatte. Gerade oberhalb der vorgeschobenen Basis verlief ein jäher Grat ungefähr 5000 Fuß nach oben, bis er in die Steilwand des Berges überging. Unser Weg führte an der linken Seite des Grates hinauf.
    Constant und ich benutzten Sauerstoff. Wir fanden die Geräte so unbequem, dass wir So Lo gestatteten, die Führung zu übernehmen. Die Träger lehnten die Benutzung von Sauerstoffgeräten ab; ich glaube, sie hielten das für Zauberei.
    Nach kurzer Zeit wurde der Weg steiler, und bald darauf hackten wir  – genauer gesagt: die Träger  – Stufen in hartes Eis. Jetzt waren wir hoch. Jeder Schritt, den wir stiegen, bereite die gleiche Anstrengung, als würde man auf Meereshöhe 153 Stufen hinaufrennen – die Angabe stammt von Wish. Damit hatte die große Prüfung begonnen.

Weitere Kostenlose Bücher