Die besten Crime-Stories.: Meistererzählungen der Queen of Crime
Entsetzen.»
«Simone!»
In seiner Stimme lag ein Vorwurf, und sie verstand schnell.
«Ja, ja, ich weiß, du bist wie alle Franzosen, Raoul. Für dich ist eine Mutter etwas Heiliges, und es ist wenig nett von mir, so von ihr zu sprechen, da sie so großen Kummer wegen ihres Kindes hat. Aber – ich kann es nicht erklären, sie ist so groß und so schwarz, und ihre Hände - hast du einmal auf ihre Hände geachtet, Raoul? Große, dicke, starke Hände, so stark wie die eines Mannes!»
Sie schüttelte sich ein wenig und schloß die Augen. Raoul ließ sie los und sagte fast kalt: «Ich kann dich wirklich nicht verstehen, Simone. Wirklich nicht. Eine Frau sollte doch Mitgefühl für eine Mutter empfinden, der man das einzige Kind genommen hat.»
Simone machte eine ungeduldige Handbewegung.
«Ach, du verstehst mich nicht! Ausgerechnet du nicht, mein Freund! Ich kann mir aber nicht helfen. Vom ersten Moment an, wo ich sie sah, spürte ich.. .» Sie schlug die Hände vor das Gesicht «Angst! Erinnerst du dich? Es hatte lange gedauert, bis ich einwilligte, für sie die erste Sitzung abzuhalten. Ich war sicher, daß sie mir auf irgendeine Art Unglück bringt»
Raoul zuckte die Achseln.
«Tatsache ist, daß sie das genaue Gegenteil zustande brachte», sagte er trocken. «Alle Sitzungen mit ihr waren ein großartiger Erfolg. Der Geist der kleinen Amelie war sofort fähig, dich zu lenken, und die Materialisierungen waren wirklich schlagend. Professor Roche hätte bei der letzten Sitzung dabeisein sollen.»
«Materialisierungen», sagte Simone leise. «Sag mir, Raoul, du weißt doch, ich merke nichts von dem, was geschieht, wenn ich in Trance bin. Sind diese Materialisierungen wirklich so wunderbar?»
Er nickte begeistert
«Bei den ersten Sitzungen wurde die Gestalt des Kindes wie in einer Art Nebelwolke sichtbar», erklärte er, «aber in der letzten Sitzung...»
«Was war da?»
Er fuhr mit sanfter Stimme fort: «Simone, das Kind, das da stand, war ein richtiges lebendiges Kind aus Fleisch und Blut. Ich habe es sogar berührt, aber als ich merkte, daß dir diese Berührung große Schmerzen bereitete, habe ich Madame Exe nicht erlaubt, es auch anzufassen. Ich fürchtete, sie könnte die Selbstbeherrschung verlieren, und daß dir etwas zustoßen könnte.»
Simone wandte sich ab.
«Ich war so entsetzlich erschöpft, als ich aufwachte», murmelte sie. «Raoul, bist du sicher bist du ganz sicher, daß das alles wirklich ist? Du weißt, was die gute alte Elise darüber denkt: daß da der Teufel mit im Bunde ist»
Sie lachte unsicher.
«Du weißt aber auch, was ich darüber denke», sagte Raoul ernst «Jeder Umgang mit Unbekannten ist gefährlich, doch der Zweck ist gut und edel, denn der Zweck dient der Wissenschaft. In der ganzen Welt hat es Märtyrer für die Wissenschaft gegeben, Pioniere, die selber den Preis bezahlten, damit andere sicher ihren Fußspuren folgen konnten, und es hat dich ungeheure Nervenbelastung gekostet. Jetzt hast du dein Teil beigetragen. Von heute ab wirst du frei und glücklich sein.»
Sie lächelte ihn liebevoll an. Sie hatte ihre Ruhe wiedergewonnen. Dann sah sie auf die Uhr.
«Madame Exe hat sich verspätet», murmelte sie. «Vielleicht kommt sie gar nicht»
«Doch, sie kommt bestimmt», sagte Raoul. «Deine Uhr geht ein bißchen vor, Simone.»
Simone ging ruhelos im Zimmer umher.
«Ich möchte nur wissen, wer diese Madame Exe ist», bemerkte sie. «Woher sie kommt. Es ist doch merkwürdig, daß wir nichts über sie wissen.»
Raoul zuckte die Achseln.
«Die meisten Leute bleiben, wenn möglich, inkognito, wenn sie zu einem Medium gehen», sagte er. «Das gehört zu den elementaren Vorsichtsmaßregeln.»
«Das wird es wohl sein», stimmte Simone zu. Eine kleine chinesische Vase, die sie gerade in der Hand hielt, entglitt ihren Fingern und zersprang vor dem Kamin in Scherben. Sie drehte sich rasch zu Raoul um.
«Siehst du», murmelte sie, «ich bin entsetzlich nervös. Raoul, würdest du mich für sehr feige halten, wenn ich Madame Exe absage?»
Als sie sein schmerzliches Erstaunen bemerkte, wurde sie rot
«Du hast es aber doch versprochen, Simone...», begann er sanft Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand.
«Ich will nicht, Raoul. Ich will nicht!»
Sein vorwurfsvoller Blick ließ sie zusammenfahren. «Ich denke dabei nicht an das Geld, Simone, obwohl du zugeben mußt, daß die Summe, die sie uns für diese Sitzung angeboten hat, phantastisch ist»
Sie entgegnete
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