Die besten Freunde der Welt: Fritz und Ben (German Edition)
traurigen Grund: Seine Oma ist gestorben. Die Familie muss nach Izmir zur Beerdigung. Vielleicht kann einer von euch mit Hilmar das nacharbeiten, was wir in der kommenden Woche lernen.«
Lena meldet sich sofort. Das ist das Gute an Lena: Sie ist echt hilfsbereit.
»Danke, Lena, sehr nett von dir. Lena lernt mit Hilmar, das ist prima. Aber wir anderen sollten auch etwas tun, denn Hilmar ist sicherlich sehr traurig. Ich habe mir überlegt, dass wir unsere Gedichte Hilmar widmen. Ich bitte euch, Gedichte zu schreiben, die ihn trösten.«
Niemand sagt etwas. Keiner murrt oder meckert. Alle sind sofort einverstanden.
»Wir kleben die Trostgedichte dann in ein Buch, und das geben wir ihm, wenn er zurückkommt.«
Wie auf Knopfdruck beugen sich alle sofort über ihre Hefte. Einige kauen auf ihren Stiften. Gereon malt ein Kreuz, weil ihm nichts einfällt. Ben hat schon seinen ersten Satz geschrieben. Ich gucke über seine Schulter und lese:
Deine Oma lebte schön am Meer.
Ich bin gespannt, wie das weitergeht.
Ich sammle erst mal Wörter und überlege, welche sich auf
tot
reimen.
Rot. Brot. Not. Lot. Boot.
Sind das alle? Ich schreibe die fünf schon mal auf.
Bens Locken fallen über seine Augen, als er konzentriert seine Sätze schreibt. Dann schiebt er das Heft in die Mitte des Tisches, damit ich das Gedicht lesen kann.
»Ben«, sagt Frau Specht, »wenn du fertig bist, kannst du vorlesen.«
Ben atmet erst mal laut aus. »Okay!«, sagt er und dann legt er los.
»Deine Oma lebte schön am Meer.
Das ist noch gar nicht lange her.
Der Sensenmann in seiner Not
brachte ihr den sicheren Tod.«
Alle schauen betroffen zu meinem Freund. Ich auch.
»Was ist denn ein Sensenmann?«, fragt Gereon.
Ben zuckt mit den Schultern. »Das hab ich gelesen. Das stand unter einem Bild, auf dem war ein Typ mit einem Mantel mit Kapuze abgebildet. In der Hand hatte der eine lange Sense. Und sein Gesicht war ein Totenkopf.«
»Damit ist der Tod gemeint«, erklärt Frau Specht. »Erstaunlich, dass du ein solches Wort kennst. Ein sehr schönes Gedicht, Ben. Wer möchte jetzt lesen?«
Maria meldet sich.
»Hilmars Oma im Himmel
reitet auf einem rosa Schimmel.
Dort oben, wo sie jetzt wohnt,
wird sie für alles belohnt.«
Ein Schimmel im Himmel, wo die Oma wohnt, so ein Gedicht kann nur Maria schreiben, weil sie katholisch ist und an ein Paradies über den Wolken glaubt. Marias ganze Familie ist sehr katholisch. Sie fährt jeden Sonntag mit dem Fahrrad zur Kirche. Im Sommer und im Winter. Selbst bei Regen.
Ich glaube auch an Gott und Engel. Ben auch.
Meine Mutter glaubt an die Kraft der Liebe, sagt sie.
Das klingt schön, finde ich, daran will ich später auch glauben.
»Liebe versetzt Berge!«, sagt mein Opa. Das meint er, weil er aus Italien nach Deutschland fahren musste, um Oma wiederzusehen. Und immer erzählt er, er habe die Alpen bezwungen und die Berge seien in die Schweiz gerutscht, und so konnte er nach München reisen, um die Omi zu heiraten. Typische Opa-Geschichte.
Plötzlich fällt mir ein, dass Ben vor lauter Schnepfen und Vase vergessen hat, mich nach meinem Plan zu fragen. Zum Glück. Ich hatte noch keine Zeit, mir was zu überlegen.
Gestern Abend lief nämlich alles anders als geplant. Mein Vater wollte mir aus
Der Wind in den Weiden
vorlesen. Das ist unser Lieblingsbuch.
Er hatte gerade angefangen:
»… Der Maulwurf und die Wasserratte waren seit der Morgendämmerung auf den Beinen und verrichteten Dinge, die mit Booten und dem Beginn der Reisezeit zu tun hatten. Sie hantierten mit Farbe und Firnis, flickten Paddel, stopften
Kissen, forschten nach verlorenen Bootshaken und so weiter. Nun saßen sie im Wohnzimmer beim Frühstück und …«
Ich war voll mit meinen Gedanken am Fluss, da schellte das Telefon. Dads Kollegen von der Feuerwache riefen an. Er musste zu einem Großeinsatz: Eine Lagerhalle mit Feuerwerkraketen und Chinaböllern war in Brand geraten. Die Raketen schossen durch die Luft und flogen in die benachbarten Bauernhöfe und auf die Felder mit den Strohballen. Die Feuerwehrleute mussten sofort los und Kühe, Schweine, Bauern und Stroh retten und alle kleinen und großen Brände löschen. Immer wenn so was passiert, fährt ein Kamerateam zum Unfallort. Deshalb konnten Mum und ich die ganzen Löscharbeiten am Fernsehen mitverfolgen. Ich habe mich ganz nah vor den Bildschirm geklemmt, aber ich konnte meinen Vater nicht entdecken. Kein Wunder, denn alle
Weitere Kostenlose Bücher