Die besten Freunde meines Lebens - Roman
bezahlte. Hatte er bei ihr in der Steuerkanzlei gearbeitet?
Nein, er war zu alt. Sicher zehn Jahre älter als sie. Und was den Altersunterschied zu seiner kleinen Freundin betraf, so konnte man locker noch mal zehn Jahre hinzufügen, dachte Jo gnadenlos.
Als der Mann an ihr vorbeiging, begegneten sich ihre Blicke, und Jo war sich sicher, auch in seiner Miene einen Funken von Wiedererkennen zu sehen. Dann senkte er den Kopf und dirigierte seine Begleiterin aus der Tür. Es sah aus, als hätte er es plötzlich sehr eilig.
Der Typ aus dem Café ging ihr auch während der Heimfahrt nach Surrey nicht aus dem Sinn. Sie kannte ihn, so viel stand fest. Nicht gut. Eher so, als wären sie sich ein-, zweimal flüchtig begegnet. Und er hatte sie auch erkannt. Also musste es irgendeine Verbindung geben.
Als der Zug schließlich in Surrey ankam, war Jo jeden Arbeitskollegen, jeden Banker, jeden Anwalt durchgegangen, mit dem sie jemals zu tun gehabt hatte. Doch sie konnte ihn beim besten Willen nicht einordnen. Je länger sie nachdachte, desto mehr gelangte sie zu der Überzeugung, dass er nicht wie der typische Londoner Geschäftstyp aussah. Eher wie ein Immobilienmakler für hochwertige Objekte. Vielleicht als Si und sie das Haus gesucht hatten?
Und dann dämmerte es ihr. Sie kannte ihn gar nicht, hatte ihn nur ein einziges Mal gesehen, war ihm jedoch nicht vorgestellt worden. Doch sie hatte ihn gesehen, und zwar in Begleitung von Mona.
33. Kapitel
»Erinnerst du dich an den Typen?«, schrie Jo über das laute Rauschen der Dusche hinweg.
»Welchen Typen?«, schrie Si zurück. »Du musst schon genauer werden.«
Jo lehnte sich aus der Glasschiebetür der Dusche und spritzte Si Wasser ins Gesicht. »Monas verheirateten Typen«, sagte sie. »Den Nicci nicht ausstehen konnte.«
»Nun, erinnern wäre zu viel gesagt«, erwiderte Si. »Das ist ewig her. Und ich bin ihm auch nie begegnet.«
Jo drehte das Wasser aus und griff nach einem Handtuch. Doch Si kam ihr zuvor, streckte die Hand nach ihr aus und strich über ihre Brustwarze. »Lass das«, sagte sie und schob seine Hand weg. »In einer halben Stunde kommt David.«
Si grinste. »Eine halbe Stunde wird es nicht dauern.«
»Sollte es aber, wenn du es richtig machst«, erwiderte Jo lasziv und presste ihren nassen Körper gegen ihn.
»Hm, wie wäre es für den Anfang mit einem Quickie und später dann mehr?«
»Lustmolch.« Jo schlang das Handtuch um sich. »Wie gesagt, dieser verheiratete Mann, mit dem Mona vor einigen Jahren ein Verhältnis hatte – oder eine Beziehung, ein Techtelmechtel, was weiß ich. Jedenfalls habe ich ihn heute gesehen. Mit einer jungen Blondine im Arm. Irgendwie scheint er den Dreh rauszuhaben.«
»Der Glückliche. Was hat er, was ich nicht habe?«
»Zum Beispiel eine beginnende Glatze.« Jo streckte ihm die Zunge heraus und boxte ihn in den Arm.
»Au, das tut weh!«
»Sollte es auch. Die korrekte Antwort hätte lauten müssen: ›Gut, dass Mona ihn abserviert hat.‹«
»Gut, dass Mona ihn abserviert hat«, wiederholte Si und rieb seinen Arm.
»Ich begreife sowieso nicht, was sie an ihm gefunden hat«, bemerkte Jo, während sie den Föhn einschaltete und ihn auf den Badezimmerspiegel richtete, um den Wasserdampf zu entfernen. »Mona ist eine Zuckerschnecke, sie könnte jeden haben.«
Im Spiegel fing sie Sis Blick auf. »Hm, vielleicht nicht jeden .«
»Nicht schon wieder!«, rief Si. »Ehrlich, Joey, was hat sich Nicci dabei nur gedacht?«
Jo zuckte die Achseln und pflanzte einen Kuss auf seinen Arm. »Irgendwas wird sie sich schon gedacht haben. Du weißt, wie Nicci war. So etwas hätte sie nie aus einer Laune heraus beschlossen.«
David kam wie immer zehn Minuten zu spät. Doch im Vergleich zu Nicci war er mit seinen obligatorischen zehn Minuten ein Ausbund an Pünktlichkeit. Nicci hatte Pünktlichkeit für spießig gehalten. Jo hingegen fand sie einfach nur höflich.
Abgesehen davon hatte Jo nichts gegen die Verspätung einzuwenden. So hatte sie noch Zeit, die Kanapees, die sie auf dem Weg vom Bahnhof gekauft hatte, auf einer Platte zu drapieren, eine kalte Flasche Chablis zu öffnen und ein halbes Glas zu trinken, um sich für das kommende Gespräch zu stärken. Und sie hatte Zeit, sich etwas zurechtzumachen, nachdem Si zu guter Letzt doch noch seinen Willen bekommen hatte.
Stille oder Musik?
Unbedingt Musik.
Sie stellte ihr iPhone auf Musikauswahl, doch sobald die ersten Klänge von Abba ertönten, schaltete sie das iPhone
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