Die besten Freunde meines Lebens - Roman
aus.«
»David weiß übrigens, dass ich hier bin«, sagte Lynda und reichte Mona die Tasse Tee. »Ich bin nicht eigenmächtig hier eingedrungen. Ich weiß, wenn ich nicht erwünscht bin.«
Mona zuckte die Achseln. »Mag sein. Ich sehe Sie heute jedenfalls zum ersten Mal, und das ist ziemlich seltsam, wenn man bedenkt, dass ich Nicci, wenn ich meine Zeit im Ausland abziehe, an die sechzehn Jahre gekannt habe.«
»Heißt das, ich bin nicht erwünscht?«
»Das habe ich nicht gesagt.« Mona blies in ihren Tee. »Es heißt, dass Sie nicht erwünscht waren, und das wissen Sie auch. Zumindest nicht von Nicci.« Plötzlich blickte sie auf. »Wo sind eigentlich …?«
»Meine Enkeltöchter?« Die Frau hielt inne, schien die ungewohnten Wörter in sich nachhallen zu lassen. Mona glaubte beinahe zu sehen, wie sie sich die Wörter wie ein Stück Schokolade im Mund zergehen ließ. Meine Enkeltöchter . Nicci hatte diese Frau gehasst. Jedenfalls ging Mona davon aus, denn im Grunde wusste sie kaum etwas darüber. In gewisser Weise tat ihr die Frau leid. Menschen machten Fehler. Menschen veränderten sich. Nicht alle, aber manche.
»Die Kinder sind im Ballettunterricht«, sagte die Frau schließlich. »Sind sie dafür nicht noch etwas jung?«
Mona lächelte. »Ich glaube nicht. Nicci wollte sie eben in jeder Beziehung fördern.«
»David holt die beiden gerade ab.« Lynda senkte den Blick. »Ich bin zum Tee eingeladen.«
»Sehen Sie die Mädchen heute zum ersten Mal?«
»Nein. Wir waren schon zusammen im Park. Viel mehr war David mit ihnen dort. Ich bin dann ganz zufällig vorbeigekommen. Glauben Sie, Kinder fallen auf so etwas herein?«
Mona zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich. Zumindest in dem Alter.«
»Heute werde ich die Mädchen zum ersten Mal hier treffen. Es ist …«
»Komisch?«, fragte Mona.
Die Frau lachte freudlos. »Eigentlich wollte ich ›schön‹ sagen, aber es stimmt, es ist auch komisch. Wie es sicher auch komisch für Sie ist, mich hier zu sehen.«
Mona machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das geht mich nichts an.«
Sie meinte es tatsächlich so. Leben und leben lassen. Monas Ansicht nach hätte das auch Nicci mehr beherzigen sollen.
»Die anderen sehen das anders«, fuhr Mona fort. »Vor allem Jo. Sie meint, wenn Nicci Sie nicht im Leben ihrer Töchter haben wollte, dann sollte sich David auch nach ihrem Tod daran halten.«
Ein gekränkter Ausdruck glitt über Lyndas Gesicht.
»Tut mir leid«, sagte Mona, »aber das dürfte Sie eigentlich nicht überraschen.«
»Das tut es nicht.«
»Ich glaube, Lizzie ist da etwas aufgeschlossener, falls Sie das irgendwie tröstet. Ich bin noch nicht dazu gekommen, mit ihr darüber zu reden. Meiner Meinung nach – wobei man hier auf meine Meinung keinen großen Wert legt – ist das allein Davids Angelegenheit. Ich weiß nicht, was zwischen Nicci und Ihnen vorgefallen ist. Nun ja, ein paar Dinge weiß ich natürlich. Aber alles andere geht nur Sie und Nicci etwas an. Sie wollte uns nichts darüber erzählen. Deshalb sehe ich auch keinen Grund, weshalb Sie das tun sollten.«
In Wahrheit hätte Mona die Frau liebend gern ausgequetscht.
»Danke«, sagte Lynda nach einer Weile. »Auch David hat seine Zweifel. Aber er hat sich entschieden, andernfalls wäre ich nicht hier. Er ist der Ansicht, ich müsste mir meinen Platz in seiner Familie erst noch verdienen. Und da stimme ich ihm zu. Aber vermutlich hat er Ihnen das alles schon erzählt.«
Mona überlief eine Gänsehaut, als sich Niccis Mutter, ohne nachzudenken und ohne es zu wissen, auf Niccis Stuhl setzte und ihr kleines spitzes Kinn in beide Hände stützte. Genau wie Nicci.
Anders als bei Nicci waren ihre Nägel jedoch nicht sorgfältig manikürt, sondern abgebissen und ungepflegt. Lynda musste Mitte sechzig sein, überlegte Mona, doch ihre Hände wirkten wesentlich älter.
»Ich will mich nicht herausreden«, fuhr Lynda fort. »Wenn Nicci mich gehasst hat – und das höre ich von allen Seiten –, dann hatte sie dazu jedes Recht. Sie war meine Tochter. Ist meine Tochter.« Tränen stiegen in Lyndas kleine graue Augen. »Es wäre gerechter, wenn ich an ihrer Stelle gestorben wäre, um mein Versagen als Mutter wiedergutzumachen, aber …«
Sie senkte den Kopf und starrte auf die Haut ihres starken Milchtees. »Was ist mit Ihnen los?«, fragte sie unvermittelt.
Mona schreckte hoch. »Mit mir?«
»Nun ja, Sie sagten, auf Ihre Meinung lege man hier keinen großen Wert. Das klingt nicht
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