Die besten Freunde meines Lebens - Roman
Ich habe Ihnen Karten geschickt, für den Fall, dass Sie meine Nummer verloren haben. Trotzdem haben Sie nicht angerufen.« Lyndas kleiner Mund war zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Wie bei Nicci, wenn ihr langsam der Geduldsfaden zu reißen drohte. »Ich habe Ihnen Zeit gelassen. Monate. Jetzt bin ich hier. Kann man mir das verübeln?«
Lyndas Miene war trotzig.
David zuckte die Achseln. »Ich habe die Karten weggeworfen«, sagte er lapidar. »Mal ganz ehrlich, was haben Sie denn von mir erwartet?«
Die Atmosphäre in der Küche war eisig vor Anspannung. Plötzlich wäre Lizzie überall lieber gewesen als mitten in die ser Schlacht zwischen Niccis Mutter und Niccis Ehemann.
David holte tief Luft, und Lizzie rechnete damit, dass er gleich eine beißende Bemerkung machen würde, doch er schien es sich anders zu überlegen. »Noch vor wenigen Tagen«, begann er, »hätte ich Sie, wenn Sie hier aufgekreuzt wären, sofort aufgefordert zu gehen. Und wenn Sie sich geweigert hätten, hätte ich die Polizei gerufen. Und wenn die Polizei sich geweigert hätte, meinem Wunsch nachzukommen, hätte ich Sie eigenhändig herausgeschmissen. Bis vor Kurzem war ich absolut nicht gewillt, Sie auch nur in die Nähe meiner Kinder zu lassen. Schließlich waren Sie ja nicht einmal fähig, sich um Ihr eigenes Kind zu kümmern.«
Die Frau sah aus, als hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst.
Sein Blick war klar und entschieden. »Weil ich glaubte, dass Nicci es so gewollt hätte. Doch manchmal ändern sich Dinge. Und«, David schüttelte den Kopf, »tatsächlich habe ich versucht, Sie anzurufen.«
»Was?«, riefen Lizzie und Lynda im Chor.
»Verzeihung«, sagte Lizzie zerknirscht und tat, als verschlösse sie die Lippen mit einem Reißverschluss.
»Nun ja, nicht direkt. Ich hätte Sie angerufen, wenn ich Ihre Nummer gefunden hätte. Der Punkt ist, ich wollte Sie anrufen. Mir liegen einige Dinge am Herzen, die ich mit Ihnen besprechen möchte.«
»Ich …« Widerwillig rang sich Lizzie dazu durch, das ein zig Richtige zu tun. »Ich weiß, du sagtest, keine Geheimnisse mehr. Aber soll ich euch nicht doch lieber allein lassen?«
»Also«, erwiderte David, »wenn das für dich in Ordnung ist, dann nehme ich dein Angebot an.«
Lizzie versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Sie glitt von der Arbeitsplatte hinunter, trank ihren noch lauwarmen Kaffee aus und ging zur Tür. Als sie an David vorbeikam, zog er sie an sich und umarmte sie kurz, wie er das schon Hunderte Male vorher getan hatte. Doch diesmal saß Niccis Mutter auf Niccis Stuhl, ihre bleichen Augen scharf vor Interesse.
Verlegen löste sich Lizzie aus der Umarmung.
»Ich ruf dich später an und erzähl dir alles«, sagte David. »Du weißt ja, keine Geheimnisse mehr.«
»Nicci hat Ihnen etwas hinterlassen«, sagte David, nachdem Lizzie die Haustür hinter sich geschlossen hatte. Er wusste, sie wäre lieber geblieben, doch diese Sache musste er allein durchziehen.
»Ach ja?« Erfreut richtete Lynda sich auf.
»Moment, Moment.«
Scheiße, das war nicht fair. Mit seinen ungeschickt gewählten Worten hatte er ihr Hoffnung gemacht, und jetzt musste er diese Hoffnung wieder zunichtemachen. »Ich meine das nicht im wörtlichen Sinn.« Wie erwartet, erlosch der freudige Ausdruck in ihrer Miene, und sie sah plötzlich alt und müde aus.
»Bin gleich wieder da.«
Zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte David in sein Büro und nahm den Stapel mit Niccis Unterlagen vom Schreibtisch. Binnen Sekunden war er wieder zurück.
»Hier.« Er knallte die Unterlagen auf den Tisch. »Niccis private Kontoauszüge. Werfen Sie mal einen Blick darauf.«
Zögernd ergriff Lynda einen Kontoauszug, dann den nächsten und wieder den nächsten. Ihre Verwirrung war ihr deutlich anzusehen. »Wonach soll ich Ausschau halten?«, fragte sie schließlich. »Das sind einfach nur Kontoauszüge.«
David deutete auf eine Einzahlung vom 15. Februar 1997. »Das war die Erste.«
»Ich verstehe nicht …«
»Und das war die Letzte.« Er reichte ihr den Kontoauszug des Monats, in dem Nicci gestorben war. Die Einzahlung an Safe Shelters war einen Tag vor ihrem Tod eingegangen. »Jahrelang hat sie jeden Monat Geld an eine wohltätige Ein richtung gegen häusliche Gewalt einbezahlt. Fast so lange, wie ich sie gekannt habe. Und ganz bestimmt, seitdem sie begonnen hatte, richtig Geld zu verdienen. Nicci hat mir nichts davon erzählt. Sie hat es einfach getan; Monat für Monat, Jahr für
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