Die besten Freunde meines Lebens - Roman
dem Beginn des Studiums liegt total im Dunkeln. Ihre Mum weiß nicht, wohin Nicci nach dem Streit geflüchtet ist. Jo, du hast sie Ende September kennengelernt. Wo hat sie in der Zwischenzeit gelebt? Wie hat sie ihren Lebensunterhalt bestritten? Irgendetwas muss euch aufgefallen sein. Irgendein Riss in der Maske.«
Die Frauen durchforsteten ihr Gedächtnis, während David ihre Mienen beobachtete, auf der Suche nach einem Hauch von Verschwörung, einem Hinweis auf eine gemeinsame Absprache, ihr Wissen vor ihm geheim zu halten. Doch da war nichts.
»Mir fällt nichts ein. Wie ist es bei dir?«, fragte Lizzie, an Jo gewandt. »Damals, dieser Whisky-Abend? Ich kann mich an nichts mehr erinnern, weil ich entweder halb im Koma gelegen oder gekotzt habe. Aber an dem Abend hat Nicci dir doch erzählt, dass ihr Dad sie verlassen hat, als sie klein war, und dass sie nach dem Examen einen Riesenstreit mit ihrer Mutter hatte. Ist das alles, was sie erzählt hat?«
»Mich brauchst du nicht anzusehen«, sagte Mona. »Ich habe keine Ahnung. Jo, bist du sicher, dass das alles war?«
Jo nippte an ihrem Wein. »Darüber zerbreche ich mir den Kopf, seit David die Geschichte erzählt hat«, sagte sie. »Aber mit Sicherheit weiß ich nur, dass es einfacher war, sie nicht zu fragen.«
Jo senkte den Blick auf ihre Hände. Einfacher, nicht zu fragen . Einfacher, es dabei zu belassen. Einfacher, Nicci nachzugeben. Wie oft hatten sie das im Lauf der Jahre getan?
»Da war dieser Protestmarsch, bei dem es um Gewalt gegenüber Frauen ging«, warf Lizzie nachdenklich ein. »Aber das war eine einmalige Sache.«
Interessiert wandten sich die anderen ihr zu. »Gewalt gegenüber Frauen?«, fragte David.
»Im zweiten Jahr an der Uni hat sich Nicci in der Frauengruppe der Gewerkschaft engagiert, erinnert ihr euch? Aber dann hat sie sich mit den Leuten zerstritten. Oder bilde ich mir das jetzt ein?«
»Stimmt. Das hatte ich ganz vergessen.« Jo nahm eine Handvoll Cashewnüsse und kaute nachdenklich. »Sie war total in Rage, als sie von dem Marsch zurückkam. Und sie hatte eine Flasche Gin dabei.«
»Und hat Gin seitdem gehasst«, warf Mona ein. »Das war eines der wenigen Male, dass ich sie sturzbetrunken erlebt habe. Sie schimpfte laut, dass Taten mehr sagten als Worte und die Organisatoren seien selbst ihre ärgsten Feinde oder so was in der Art. Ihr wisst ja, was für Wutausbrüche sie haben konnte.«
»O ja«, bemerkte David trocken. »Ich hatte mir angewöhnt, sie nicht zu reizen.«
»Haben wir das nicht alle getan?«, entgegnete Lizzie lächelnd.
»Und dann war diese Donna Brooks.« Jos Stimme war leise, doch etwas in ihrem Ton ließ die anderen aufmerken. Der Moment von Leichtigkeit war vorbei.
»Donna Brooks?«, fragte Mona.
»Wer ist Donna Brooks?«, fragte David.
»O Gott«, rief Lizzie. »Unglaublich, dass wir das vergessen haben. Aber die Bedeutung wird mir erst jetzt bewusst.«
»Wer ist Donna Brooks?«, wiederholte David gereizt.
»Frag Lizzie«, sagte Jo. »Sie kannte Donna besser als wir.«
»Ich habe sie nicht wirklich gekannt «, erklärte Lizzie. »Sie war in unserem Englisch-Kurs, in dem Pflichtseminar über Jakobinische Tragödien. Das war im zweiten Jahr. Wir haben The Duchess of Malfi durchgenommen. Nicci hatte für solche Sachen nichts übrig und glänzte oft durch Abwesenheit.«
Aus den Augenwinkeln sah Lizzie, wie Jo ihr mit einer ungeduldigen Handbewegung bedeutete, endlich zur Sache zu kommen. Lizzie ignorierte sie.
»Es war ein offenes Geheimnis, dass Donna Brooks etwas mit diesem Dozenten Martin Soundso hatte. Kaum zu glau ben, dass seine Frau davon nichts mitbekommen hat. Aber vielleicht zog sie es ja vor, auf einem Auge blind zu sein.«
»Vielleicht gab es in jedem Jahr eine Donna Brooks«, bemerkte David.
Lizzie zuckte die Achseln. »Gut möglich. Nicci hatte von Anfang an eine Abneigung gegen den Mann. Er war nicht nur verheiratet, sondern auch wesentlich älter als wir. Dick, kahlköpfig. Nicci meinte, es ginge nur um Macht. Das hatte sie aus einem Buch, das sie gerade las. Sie sagte, Donna glaube, sie bekäme Macht, wenn sie mit dem Dozenten vögelt. Und er bekäme Macht, weil es ihm gelang, eine hübsche, junge Studentin aufzureißen. Wiewohl Donna überall herumerzählte, dass Martin in sie verliebt sei.«
»Und wie fand Nicci das?«, fragte David.
»Du kennst Nicci«, sagte Jo. »Null Toleranz.«
»Ich glaube, sie hat nicht groß darüber nachgedacht«, bemerkte Mona, »weil eine Affäre
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