Die besten Freunde meines Lebens - Roman
bemerkte. »Ich habe gar nicht daran gedacht …«
»Kein Problem.« David stand auf und ging zum Kühlschrank. »An Nachschub besteht kein Mangel.«
»Ich komme mir so naiv vor«, sagte Jo zu niemandem im Besonderen. »Ich meine, wir waren siebzehn Jahre befreundet. Siebzehn Jahre! Ich dachte, wir würden alles übereinander wissen, was es zu wissen gibt.«
»Ach ja?«, warf Mona kühl ein. »Also ich habe das nicht gedacht. Ich habe nicht eine Sekunde lang geglaubt, ich würde alles wissen, was es über Nicci zu wissen gibt. Oh«, fügte sie hinzu, »ihr beide wart natürlich enger mit Nicci befreundet als ich, auch schon damals, bevor ich nach Australien …«
»Das ist nicht …«, unterbrach Lizzie.
»Ihr braucht keine Rücksicht auf meine Gefühle zu nehmen. Ihr wisst, dass es stimmt. Es wart immer ihr drei.« Mona warf David ein Lächeln zu, die Peinlichkeit zwischen ihnen hatte sie für einen Moment vergessen. »Mit mir als fünftem Rad am Wagen.«
»Das ist nicht das Thema, über das wir reden wollten, oder?«, mahnte Jo. Die Frauen schwiegen, während David die Flasche aufschraubte und erst Lizzie, dann Jo und schließlich sich selbst nachschenkte.
»Ich wollte damit nur sagen«, fuhr Mona fort, »dass ich nie geglaubt habe, ich würde alles über Nicci wissen. Erinnert ihr euch an die Beisetzungsfeier? Als wir in Niccis Schuppen saßen und die Briefe lasen?« Betreten sah sie zu David hinüber, doch er zuckte nur die Achseln und trank einen Schluck Wein, als wollte er andeuten, dass er sich in das Unvermeidliche fügte. »Jo hat damals gesagt, Nicci lasse sich nicht in die Karten schauen.«
»Ich glaube, das hast du gesagt.«
»Wer immer es war, es ist richtig«, unterbrach David. »Seien wir doch mal ehrlich. Wir alle wussten, dass man es sich mit Nicci total verscherzte, wenn man es wagte, sie nach ihrer Familie zu fragen. Ja«, fügte er angesichts der geschockten Mienen hinzu, »auch ich. Ich habe diesen Fehler einmal begangen, und das war mir Lehre genug. Wir hätten es natürlich immer wieder versuchen können, doch das hat keiner von uns getan. Und jetzt werden wir niemals erfahren, was geschehen wäre, wenn wir den Mut dazu aufgebracht hätten. Wir hätten nachbohren können, aber wir haben uns einfach so verhalten wie immer.«
Er blickte in die Runde. Einzig Lizzie erwiderte seinen Blick.
»Wir haben uns Niccis Willen gefügt. Weil wir Angst hatten, sie zu verlieren, obwohl wir vielleicht, aber nur vielleicht, die wahre Nicci gefunden hätten, wenn wir mutig genug gewesen wären, uns ihr zu widersetzen.«
Aus dem Babyphone ertönte ein Jammern. Automatisch blickten alle vier in die Richtung. Das Jammern wurde zu einem Wimmern, das sich zu lautem Geschrei steigerte. »Bin gleich wieder da«, sagte David.
»Er ist ein guter Dad, nicht wahr?«, bemerkte Mona, als seine Schritte im Treppenhaus verklangen und statt des Gebrülls das tröstende Gemurmel eines erfahrenen Vaters aus dem Babyphone drang. Lizzie und Jo warfen sich einen verstohlenen Blick zu und schnitten eine Grimasse.
»Ein sehr guter Dad«, sagte Lizzie. »Und ein guter Ehemann.«
»Und Freund«, fügte Jo hinzu. »Ein richtig guter Freund. Schon seltsam. Ich habe David vorher nie so gesehen. Er ist nicht nur Niccis Mann, er ist einer von uns. Wer hat ihn denn gezwungen, hier mit uns zusammenzusitzen? Nie mand. Da Nicci nicht mehr da ist, müsste er das nicht tun.«
In stillschweigendem Einverständnis hoben die drei Frauen die Gläser und stießen auf ihre abwesende Freundin an.
»Er müsste es nicht tun«, wiederholte Jo. »Es ist seine freie Entscheidung. David hätte sagen können, wir sollen uns zum Teufel scheren und uns um unseren eigenen Kram kümmern, aber das hat er nicht getan. Die meisten Männer hätten sich da anders verhalten.«
Das Gemurmel aus dem Babyphone brach ab, und gleich darauf ertönte das Patschen nackter Füße auf den Holz treppen.
»Worauf ich eigentlich hinauswill«, begann David, noch bevor er wieder Platz genommen hatte, »ist Folgendes: Selbst wenn ihr nichts gewusst habt – und ich den Kopf in den Sand gesteckt habe –, muss eine von euch doch irgendwo im Hinterkopf einen Verdacht gehabt haben. Immerhin habt ihr Nicci länger gekannt als ich.«
»Zweieinhalb Jahre länger«, bemerkte Jo.
Lizzie seufzte.
»Niccis Streit mit ihrer Mutter muss kurz davor gewesen sein. Sie hat sicher noch darunter gelitten«, sagte David nachdenklich. »Diese Zeit zwischen dem Schulabschluss und
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