Die besten Freunde meines Lebens - Roman
Jahr. Sie hat die Einrichtung auch in ihrem Testament bedacht. Keine große Summe, aber genug, um jemandem zu einem neuen Leben zu verhelfen. Das war es, was ich Ihnen mitteilen wollte. Egal, was Nicci gesagt oder nicht gesagt hat, sie hat Ihnen nie vergeben, aber sie hat auch nie vergessen.«
»Safe Shelters?« Der Name schien etwas in ihr anklingen zu lassen, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Zu spät fiel David ein, dass es wahrscheinlich schlimmer war, auf diese Weise in jemandes Erinnerung zu bleiben, als völlig vergessen worden zu sein.
»Sie sind nicht persönlich erwähnt«, warf David rasch ein. »Nicci hat nichts beigefügt, im Sinne von ›Ich hinterlasse Safe Shelters die und die Summe im Gedenken an meine Mutter Lynda Webster, Cummings oder wie immer Sie jetzt heißen‹. Doch das hätte sie genauso gut tun können, meinen Sie nicht?«
Er konnte den Ausdruck in Lyndas Miene nicht deuten. Nicht direkt Schuldgefühle …
»Ich muss das alles erst einmal verarbeiten«, sagte sie schließlich. »Sie hatten Zeit, darüber nachzudenken. Nun, ich benötige diese Zeit auch. Ich weiß nicht, wie ich das fin den soll, dass meine Tochter diese Einrichtung all die Jahre hindurch unterstützt hat, um ihre Dankbarkeit auszudrücken. Man hat uns dort aufgenommen, uns geholfen, ein neues Leben aufzubauen. Ohne diese Hilfe …« Sie deutete durch die Küche. »Wer weiß, ob Nicci es sonst so weit gebracht hätte. Und das hat sie offenbar nie vergessen. Was sagt das über mich aus? Sie hat einen Weg gefunden, sich für die Hilfe zu revanchieren, während ich …« Tränenerstickt hielt Lynda inne. »Ich habe diese Hilfe mit Füßen getreten.«
Um Verständnis flehend, sah sie David in die Augen. Schließlich wandte sie den Blick ab. »Sie wissen, ich bin wie der zu ihm zurückgegangen. Nicht ein Mal, sondern zwei Mal. Das zweite Mal war kurz nach Niccis Schulabschluss. Sie sagte, wenn ich jetzt zurückginge, werde sie nie wieder ein Wort mit mir sprechen. Sie meinte das ernst. Nicci hat ihre Versprechen immer gehalten. Sie sagte, jemand müsse das ja tun.«
30. Kapitel
David lauschte dem Ticken der neuen Küchenuhr. Das Geräusch war ein extremer Kontrast zu der Kakofonie, die noch vor wenigen Monaten sein Leben beherrscht hatte. Bis Jo ihn durch das Haus geführt und ihn gezwungen hatte, eine Geräuschkulisse nach der anderen auszuschalten. Den Fernseher, das Radio, den iPod: die Kricketübertragung, die Nachrichten, die gesammelten Hits von Blur. Und dann war sie gegangen, hatte ihn schwören lassen, die Geräte nicht sofort wieder einzuschalten.
Damals hatte die Stille in seinem Kopf ein lautes Schreien verursacht. Doch in den darauf folgenden Wochen hatte er gelernt, das unablässige Kreischen seiner Gedanken zu beruhigen. Er hatte sie nicht zum Verstummen gebracht, aber eine Art von Einigung mit ihnen erzielt. Die Uhr hatte er gekauft, um etwas Gesellschaft zu haben. Es war der Nachbau einer alten Bahnhofsuhr. Mehr aus Glück denn aus Voraussicht passte der Holzrahmen zu den Einbauten, die er aus dem Interieur alter Eisenbahnschlafwagen zusammengebastelt hatte, sodass die Uhr aussah, als wäre sie schon immer hier gewesen. Als stammte sie sogar vom selben Provinzbahnhof.
Nun fand er ihr beständiges Tick, tick, tick tröstlich. Genauso wie das Schnaufen aus dem Babyphone seine dunklen Nachtgedanken besänftigte. Wenn er ehrlich war, hätte er es im Moment vorgezogen, allein mit diesen Gedanken und der Uhr zu sein. Aber diese Wahl hatte er nicht. Dafür hatte Nicci gesorgt. Wie immer.
Wann hat Nicci die Uhr gekauft?, fragte sich Jo. Sie war ihr bisher noch nie aufgefallen. Vielleicht hatte David sie gekauft. Nein. Sofort verwarf sie diese Idee wieder. Denn die Uhr funktionierte, und das wäre, wenn David sie erstanden hätte, bestimmt nicht der Fall gewesen.
David war gut in großen Dingen; seine Gebäude wurden regelmäßig für Preise nominiert. Seine Partner im Architekturbüro wussten, dass sie es sich nicht leisten konnten, ihn zu verlieren. Aber David war für das große Ganze zuständig. Nicci für die Details.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, sagte Jo unsinnigerweise, als deutlich wurde, dass weder David noch Lizzie oder Mona vorhatten, das Wort zu ergreifen.
Mona griff nach der Flasche Rosé, die in einem feuchten Fleck aus Kondenswasser auf dem Tisch stand, und leerte sie in ihr Glas. Es wurde gerade mal halb voll. »Entschuldigung«, sagte sie, als sie Lizzies Miene
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