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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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und glücklich plaudern. Als er sich ihrem Bett näherte, meinte sie:
    »Ganz gewiß, ganz gewiß! O da bist Du ja, mein großer Junge, Dich also hat der Schnee festgehalten … Und das sagt mir dieses Thier nicht!«
    Sie wandte sich mit den letzten Worten an ihre Tochter.
    »Sei wenigstens höflich, bleibe bei den fremden Damen und Herren, beschäftige Dich mit ihnen ein wenig, damit sie der Verwaltung nicht erzählen, daß wir wie die Wilden sind.«
    Flore hatte sich zwischen Séverine und Jacques aufgepflanzt. Einen Augenblick schien sie zu zögern und überlegte, ob sie nicht dem Befehl ihrer Mutter zum Trotz hier bleiben sollte. Aber sie sagte sich, daß sie doch nichts sehen, daß die Gegenwart der Mutter jenen Fesseln auferlegen würde! Und so ging sie ohne ein Wort zu erwidern fort, nachdem sie Beiden noch einen langen Blick zugeworfen.
    »Sie liegen, Tante Phasie,« fragte Jacques mit bekümmerter Miene, »ist die Krankheit schlimmer geworden?«
    Sie zog ihn an sich, sie nöthigte ihn, sich auf den Rand des Bettes zu setzen und ohne weitere Rücksicht auf die Gegenwart der jungen Frau, die aus Discretion sich etwas aus der Nähe des Bettes entfernt hatte, beichtete sie ihm so leise sie konnte.
    »Ja, ja, sehr schlimm, es ist ein wahres Wunder, daß Du mich noch am Leben findest … Ich wollte Dir nicht schreiben, weil solche Dinge sich nicht so leicht beschreiben lassen … Beinahe war es mit mir schon vorbei, jetzt geht es wieder etwas besser und ich glaube, daß ich dieses Mal noch davonkommen werde.«
    Er sah sie prüfend an, ihn erschreckte der Fortschritt der Krankheit und er fand an ihr in der That nicht eine Spur ihrer einstigen Schönheit wieder.
    »Also noch immer Krämpfe und Schwindel, arme Tante Phasie?«
    Doch sie drückte ihm die Hand, daß sie ihn schmerzte und fuhr mit noch gedämpfterer Stimme fort:
    »Denke Dir, ich habe ihn überrascht … Du weißtich hätte meine Zunge lieber den Hunden gegeben als nicht zu wissen, wo hinein der seine Arznei mischte. Ich trank und aß nur von dem, was er selbst nahm und trotzdem fühlte ich Abend für Abend das Brennen im Magen … Hat er mir doch richtig Gift in das Salz gemischt! Eines Abends habe ich es gesehen … Und ich habe Salz in Menge genommen, um alles zu reinigen!«
    Seit der Besitz von Séverine Jacques geheilt zu haben schien, hatte er des Oefteren an diese Geschichte von der langsamen, aber stetigen Vergiftung gedacht, wie man an einen bösen Traum denkt. Er hatte nicht daran geglaubt. Er drückte zärtlich die Hand der Kranken, er wollte sie beruhigen.
    »Ist es wohl möglich, ei so seht doch! … Aber wenn man so etwas behauptet, muß man seiner Sache auch ganz sicher sein … Und dann kann das viel nach sich ziehen … Gehen Sie, Tante, ich glaube, Sie haben eine Krankheit, von der die Aerzte nichts verstehen.«
    »Eine Krankheit,« wiederholte sie spöttisch, »ja, eine Krankheit, aber er hat sie mir eingeimpft … Was die Aerzte anbetrifft, so magst Du Recht haben: es sind zwei hier gewesen, aber Beide verstanden nichts, sie waren nicht einmal unter sich einig. Ich will nicht, daß noch ein einziger von diesen Vögeln den Fuß über diese Schwelle setzt … Hörst Du, in das Salz hat er es mir gethan … Ich schwöre Dir, ich habe es gesehen! Alles der tausend Franken, meiner vom Vater geerbten tausend Franken wegen. Er sagt sich, hat er mich erst beseitigt, dann wird er sie auch finden … Da irrt er sich nun gewaltig, die liegen, wo sie Niemand entdecken wird, niemals … Ich kann sterben, darüber aber bin ich ruhig, daß Niemand meine tausend Franken jemals besitzen wird.«
    »Aber an Ihrer Stelle, Tante Phasie, würde ich die Gensdarmen holen lassen, wenn Sie Ihrer Sache so sicher sind.«
    Sie machte eine abweisende Geberde.
    »Nur keine Gensdarmen … die brauchen sich nicht in unsere Angelegenheit zu mischen, das geht nur ihn und mich an. In weiß, er will mich verschlingen und ich, natürlich, will mich nicht verschlingen lassen. Ich brauche mich also nur zu vertheidigen und darf nicht wieder so ein Schaf seinwie mit dem Salz … Wer hätte das wohl geglaubt? Solch eine Mißgeburt, solch ein Fetzen von Mann, den man in die Tasche stecken kann, bringt mit seinen Rattenzähnen schließlich noch solche große Frauen wie mich um, wenn man ihm den Willen ließe!«
    Sie zuckte wieder zusammen und ihr Athem ging schwer.
    »Schadet nichts, diesmal ist es ihm noch nicht geglückt. Mir geht es besser und nach vierzehn Tagen werde ich

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