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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Der Kuckuck meldete drei Uhr.
    Eine Stunde noch ließ Jacques sie in seinem linken Arme ruhen, der allmählich abstarb. Er selbst konnte kein Auge schließen, eine unsichtbare Hand schien die Lider ihm eigensinnig in der Finsterniß immer wieder aufzureihen. Er unterschied jetzt nichts mehr in dem völlig in Nacht getauchten Zimmer, alles, der Ofen, die Möbel, die Mauern bildete ein einziges schwarzes Schattenmeer. Er mußte sich umdrehen, um die beiden starren, so bleich und luftig wie ein Traum schimmernden Fensterquadrate sehen zu können. Trotz seiner ihn marternden Müdigkeit hielt ihn eine merkwürdige cerebrale Thätigkeit wach und haspelte unaufhörlich denselben Schwall von Gedanken ab. Jedesmal wenn er sich mühte einzuschlafen, begann dieselbe Qual von Neuem, dieselben Bilder zogen an ihm vorüber und weckten dieselben Gedanken. Und was mit mechanischer Regelmäßigkeit vor ihm sich abspielte, während seine starr blickenden und weit geöffneten Augen den Schatten aufsuchten, war Zug um Zug jener Mord. Immerwieder erstand er identisch schmerzlich vor ihm. Das Messer drang mit dumpfem Schlag in die Kehle, den Körper durchzog ein dreimaliger, lang anhaltender Krampf, das Leben entfloh in einem Strome warmen Blutes, eine rothe Fluth fühlte er über seine Hände gleiten. Zwanzig, dreißig Male drang das Messer in den Hals, kämpfte der Körper den Todeskampf. Das wurde ungeheuerlich, erstickte ihn, brachte ihn außer sich und machte die Nacht aufrührerisch. O, konnte er doch auch einen solchen Stoß führen, sein befremdliches Verlangen stillen und wissen, was man dabei empfindet, auskosten die Minuten, in denen man mehr lebt als in einem ganzen Leben. Als dieses Gefühl des Erstickens wuchs, vermuthete Jacques, daß das Gewicht Séverine’s auf seinem Arm ihn am Einschlafen hindere. Sanft bettete er sie neben sich, ohne sie aufzuwecken. Zunächst fühlte er sich wirklich wie erleichtert und schon glaubte er, der Schlaf würde kommen. Aber trotz seiner Anstrengungen öffneten die unsichtbaren Finger doch wieder seine Augenlider. Und in blutigen Umrissen tauchte auf dem dunklen Hintergrunde wieder der Todtschlag auf, das Messer drang in den Hals, der Körper krümmte sich im Todeskrampfe. Ein rother Regen durchrieselte die Finsterniß, das unverhältnismäßig große Loch in der Kehle klaffte wie ein mit der Axt gemachter Schnitt. Er kämpfte nun nicht weiter dagegen an, er lag auf dem Rücken, eine Beute dieser hartnäckigen Vision. Er vernahm in sich die verzehnfachte Thätigkeit des Gehirns, ein Brausen der ganzen Maschinerie. Und wieder war ihm zu, Muthe wie von Jugend auf. Er hatte sich geheilt geglaubt, denn dieses Verlangen war schon seit Monaten, seitdem er diese Frau besaß, in ihm erstorben. Und jetzt empfand er es unter dem Eindruck dieses Mordes, während sie seinem Körper nahe war und ihre Glieder mit den seinen sich mengten, stärker als je zuvor. Er hatte sich noch weiter von ihr zurückgezogen, er vermied jede Berührung mit ihr, denn er fieberte bei der geringsten Annäherung an ihre Haut. Eine unerträgliche Hitze kroch über sein Rückgrat, als hätte sich die Matratze unter seinem Körper in einen glühenden Rost verwandelt. Ein Prickeln, feurige Spitzen schienen ihm den Leib zu durchbohren. Er versuchte seine Hände unter der Decke vorzuziehen, aber sofort froren sie und erweckten in ihm ein Frösteln. Er fürchtete sich vor seinenHänden und zog sie schnell wieder zurück, er faltete sie zunächst auf seinem Bauche, dann schob er sie unter seinen Rücken und klemmte sie dort fest, als fürchtete er irgend eine abscheuliche Handlung von ihnen, eine Thal, die er nicht wollte und die er doch gegen seinen Willen begehen könnte.
    Jedesmal, wenn der Kuckuck rief, zählte Jacques. Vier Uhr, fünf Uhr, sechs Uhr. Er lechzte nach dem Tage, er hoffte, daß der junge Morgen dieses Alpdrücken verscheuchen würde. Er wandte sich dem Fenster zu und beobachtete die Scheiben, Aber noch immer war dort nichts weiter zu sehen, als der Wiederschein des Schnees. Ein Viertel vor fünf Uhr, mit einer Verspätung von nur vierzig Minuten, hatte er den directen Zug von Havre einfahren gehört, ein Beweis, daß die Geleise wieder passirbar waren. Erst nach sieben Uhr sah er einen milchigen, bleichen Schimmer langsam durch die Fenster schleichen. In diesem undeutlichen Licht, in welchem die Möbel umherzuschwimmen schienen, erhellte sich jetzt auch das Zimmer. Der Ofen tauchte auf, der Wandschrank, das

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