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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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hatte das geöffnete Messer in der Faust, konnte aber nicht zustoßen, denn er wurde mit Fußstößen abgewehrt und schwankte auf dem beweglichen Boden des Waggons hin und her. Des Präsidenten Kniee mußten festgehalten werden, und dabei sauste der Zug mit voller Geschwindigkeit dahin und das Pfeifen der Locomotive kündete bereits die Nähe des Ueberganges bei la Croix-de-Maufras an … Da warf ich mich, ohne mich zu erinnern wie es geschah, über die Beine des sich wehrenden Mannes. Wie ein Packet ließ ich mich niederfallen, ich drückte seine Beine mit meinem ganzen Gewicht nieder, so daß er sich nicht mehr rühren konnte. Weiter habe ich nichts gesehen, aber alles gefühlt: den Stoß des Messers in die Gurgel, den Krampf des Körpers, den Tod, der in drei Zügen kam, wie das Ablaufen einer zerbrochenen Uhr … Noch fühl’ ich das Echo dieses Todeskrampfes in meinen Gliedern!«
    Jacques wollte sie gierig unterbrechen. Doch jetzt eilte sie, zu Ende zu kommen.
    »Nein warte … Als ich mich erhob, passirten wir mit vollem Dampf bei la Croix-de-Maufras. Ich habe genau diegeschlossene Fassade des Hauses gesehen, dann das Bahnwärterhäuschen. Es fehlten nur noch vier Kilometer, höchstens fünf Minuten, bis wir in Barentin eintrafen … Der Körper lag auf dem Polster, das Blut sammelte sich zu einem trüben Sumpfe. Mein bebender Mann stand aufrecht und balancirte bei den Stößen des Waggons, er sah den Ermordeten an und wischte das Messer mit seinem Taschentuch ab. Das dauerte eine Minute, ohne daß einer von uns an die Rettung dachte. Behielten wir diesen Körper bei uns, blieben wir da, so war vielleicht schon in Barentin Alles entdeckt … Er hatte inzwischen das Messer in die Tasche geschoben, er schien aufzuwachen. Ich sah ihn dem Todten die Uhr, das Geld, Alles, was er finden konnte, abnehmen. Dann öffnete er die Thür und versuchte, den Leichnam hinauszustoßen, doch nahm er ihn nicht in seine Arme, denn er fürchtete, sich blutig zu machen. »So helfe mir doch!« Ich rührte mich nicht, denn ich fühlte meine Glieder nicht mehr. »In des Teufels Namen, willst Du mir wohl helfen!« Der zuerst hinausgeschobene Kopf hing über dem Trittbrett, wahrend der wie eine Kugel zusammengerollte Rumpf nicht hinaus wollte. Und der Zug flog dahin … Endlich, nach einem stärkeren Ruck, überschlug sich der Körper und verschwand beim Dröhnen der Räder. »O, dieses Schwein, das wäre also geschehen!« Dann raffte er die Reisedecke auf und warf sie hinterher. Jetzt standen wir Beide allein vor dem Blut auf dem Polster, auf das wir uns nicht zu setzen wagten … Die weit offen stehende Thür schlug hin und her, fast ohnmächtig und wie betäubt, begriff ich zuerst nicht, als ich meinen Mann aussteigen und ebenfalls verschwinden sah. Gleich darauf kehrte er zurück. »Vorwärts beeile Dich, wenn Du nicht willst, daß man uns den Hals abschneidet!« Ich rührte mich nicht, er wurde ungeduldig. »Komm’ in des Teufels Namen, unser Koupee ist leer, mir müssen zurück.« Leer unser Koupee, dorthin war er also gegangen? Wußte er auch genau, ob nicht die schwarze Dame, die nichts sagte, die man nicht erkannte, noch immer in ihrer Ecke saß? … »Willst Du kommen oder ich werfe Dich Jenem nach!« Er war wieder hinaufgestiegen und trieb mich brutal, wie wahnsinnig vor sich her. Schon stand ich draußen auf dem Trittbrett, meine beiden Hände krampften sich um die Messingstange. Erwar hinter mir und schloß vorsichtig die Koupeethür. »Vorwärts doch!« Ich getraute mich nicht, denn mir schwindelte vor der rasenden Eile und der sturmwindartige Wind drohte mich fortzuwehen. Meine Haare lösten sich, ich glaubte schon, meine erstarrten Hände ließen die Messingstange fahren. »Vorwärts!« Er stieß mich, ich mußte gehen, indem ich eine Hand um die andere fahren ließ. Ich drängte mich an die Waggons heran, während meine Kleider wie rasend meine Beine umflogen und sich um sie wickelten. Schon sah man in der Ferne hinter einer Kurve die Bahnhofslichter von Barentin. Die Locomotive pfiff. »So geh’ doch in des Teufels Namen!« O, dieser Höllenlärm, diese heftigen Stöße! Trotzdem mußte ich vorwärts. Mir schien, als hätte mich ein Orkan erfaßt und wirbelte mich wie einen Strohhalm umher, um mich dort unten an einer Mauer zu zerschmettern. Hinter meinem Rücken floh die Landschaft, die Bäume folgten mir in einem wilden Galopp und drehten sich um sich selbst und jeder stieß einen Klageton beim Vorübergleiten aus.

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