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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Gold mit Schaufeln einheimsen. Wie im Traume entrollte sich ihm das Bild eines neuen Lebens: ein leidenschaftlich geliebtes Weib, sofort zu gewinnende Millionen, ein Leben ohne jede Entbehrung, voll unbegrenzten Genießens. Und um diesen Traum zu verwirklichen, war nur eine Bewegung nothwendig, einen Mann niederzuschlagen, eine Bestie, eine Pflanze, die den Weg versperrt und die man deshalb vernichtet. Und nicht einmal interessant war dieser fette, halb kopfschwache Kerl, dessen thörichte Spielwuth jede einstige Energie untergraben hatte. Warum ihn schonen? Kein einziger Umstand sprach zu seinen Gunsten. Alles verurtheilte ihn, denn auf jede Frage gab es nur die eine Antwort, das Interesse der Anderen forderte seinen Tod Noch zu zögern wäre unklug und feige.
    Jacques, dem der Rücken brannte, lag auf dem Bauch. Blitzschnell warf er sich plötzlich herum, als er einen so lange ihm noch unbestimmt vorschwebenden Gedanken wie eine scharfe Spitze sich in sein Gehirn bohren fühlte. Warum tödtete er, der schon von Kindheit auf tödten wollte, dem diese fixe Idee zu einer fürchterlichen Qual geworden war, diesen Roubaud nicht? Vielleicht würde dieses Opfer seiner Mordgier genügen und er nicht nur ein gutes Geschäft machen, sondern auch gleichzeitig geheilt werden. Welch ein Glück, geheilt zu sein, nicht mehr dieses Brennen im Blut zu fühlen, Séverine zu besitzen, ohne das fauchende Erwachen dieses Erbübels fürchten zu müssen, das ihm nur ausgeweidete Weiber an den Hals hängen wollte! Der Schweiß drang ihm aus den Poren, er sah sich mit dem Messer in der Faust Roubaud die Kehle durchbohren, wie jener es mit dem Präsidenten gehalten und fühlte befriedigt und gesättigt das warme Blut über seine Hände strömen. Er war entschlossen ihn zu tödten,damit gewann er die Heilung, die angebetete Frau, ein Vermögen. War es ihm durchaus bestimmt, Jemanden zu tödten, so sollte es dieser sein, dann wußte er wenigstens, daß es eine durch das Interesse und die Logik gebotene That der Vernunft war.
    Als sein Entschluß gefaßt war, schlug es gerade drei Uhr. Jacques nickte bereits ein, als ein jäher Schauder ihn im Bett emporfahren ließ. Ja, mein Gott, hatte er denn das Recht, diesen Mann zu tödten? Wenn ihn eine Fliege ärgerte, so konnte er sie mit einem Schlage zermalmen. Als ihm eines Tages eine Katze durch die Beine kroch, hatte er ihr mit einem Fußstoße, allerdings ohne es zu wollen, die Glieder zerbrochen. Aber diesen Mann, sein Ebenbild! Er mußte nochmals alle Gründe hervorkramen, die ihm ein Recht auf den Mord zusprachen, das Recht der Starken, welche die Kleinen fressen, weil sie ihnen im Wege sind. Er liebte die Frau des Anderen und diese Frau wollte frei sein, um ihn heirathen und ihm ihr Vermögen zuwenden zu können. Dieses Hinderniß brauchte nur aus dem Wege geräumt zu werden. Wenn im Walde zwei Wölfe sich um eine Wölfin streiten, beißt nicht auch der stärkere den anderen zu Schanden? Und als in früheren Zeiten die Menschen ebenso wie die Wölfe sich in den Höhlen verbargen, gehörte da nicht die begehrte Frau dem der Bande, der sie sich aus dem Blute des Anderen zu erobern verstand? So lautete das Gesetz des Lebens, ihm mußte man gehorchen, nicht den Skrupeln, die eine spätere Zeit erfunden hatte. Nach und nach schien ihm sein Recht ein unumstößliches und sein erster Entschluß stand wieder in allen Theilen fest: schon vom nächsten Tage an wollte er Ort und Stunde ausdenken, den Act vorbereiten. Es war zweifellos das Beste, Roubaud des Nachts auf dem Bahnhofe während einer seiner Runden niederzustechen und damit gleichzeitig den Anschein zu erwecken, als ob überraschte Diebe ihn getödtet hätten. Dort hinter den Kohlenhaufen wußte er einen geeigneten Platz, dorthin konnte man ihn locken. Trotz seines Versuches einzuschlafen, malte er sich die Szene vollständig aus, er überlegte, wo er sich aufstellen, wie er zustoßen sollte, um ihn auf der Stelle todt hinzustrecken. Und während er sich die kleinsten Einzelheiten vorstellte, tauchte stumm, aber unbeugsam der Widerwille, der innere Protest gegen dasVerbrechen in ihm auf. Und dieser Zwiespalt seiner Gefühle ermunterte ihn wieder vollends. Nein, er wollte doch nicht tödten! Es schien ihm ungeheuerlich, unausführbar, unmöglich. Der civilisirte Mensch, die aus der Erziehung gewonnene Kraft, der langsame und unzerstörbare Aufbau der Ueberlieferungen empörten sich in ihm. Du sollst nicht tödten, er hatte es mit der Milch

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