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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Unglücklichen, Soldaten ähnlich, deren Körper nach der Salve einer zum Sturme anrückenden Armee die Löcher füllen. Und doch glaubte Flore Einen wieder zu erkennen, den sie am Tage des großen Schneefalles gesprochen hatte: den Amerikaner, dessen Gesicht ihr bekannt war, trotzdem sie weder seinen Namen, noch sonst etwas von ihm und den Seinen kannte. Misard trug ihn mit den andren Todten fort, die Gott weiß woher gekommen waren und hier nun lagen, anstatt sich, Gott weiß wohin zu begeben.
    Ein weiteres, herzzerreißendes Schauspiel. In dem umgestülpten Kasten eines Koupees erster Klasse fand man einjunges, wahrscheinlich soeben erst verheirathetes Paar. Beide waren so unglücklich aufeinander geworfen worden, daß die Frau auf ihrem Manne lag und ihn fast zerquetschte, ohne sich ein bischen rühren und ihm eine Erleichterung verschaffen zu können. Er röchelte bereits halb erstickt, während sie mit ihrem frei gebliebenen Munde himmelhoch bat, man möchte sich doch beeilen; es riß ihr das Herz entzwei, fühlen zu müssen, daß sie es war, die ihn tödtete. Als man sie endlich befreit hatte, hauchte sie plötzlich ihre Seele aus, denn ein Puffer hatte ihr die Seite eingedrückt. Der wieder zu sich gekommene Mann schrie laut auf vor Schmerz, er kniete neben ihr nieder, deren Augen noch voll Thränen standen.
    Man zählte jetzt zwölf Todte und mehr als dreißig Verwundete. Endlich hatte man den Tender freigelegt. Flore hielt von Zeit zu Zeit inne und drängte ihren Kopf tief hinein zwischen das verbogene Eisen und zersplitterte Holzwerk; gierig durchforschten ihre Augen die Trümmer, um den Maschinenführer zu entdecken. Plötzlich stieß sie einen lauten Schrei aus.
    »Ich sehe ihn, dort unten liegt er … Halt, ja es ist sein Arm und die blauwollene Jacke … Er rührt sich nicht, er athmet nicht …«
    Sie hatte sich aufgerichtet und fluchte wie ein Mann.
    »So macht doch, zum Donnerwetter, beeilt Euch doch, ihn herauszubekommen!«
    Mit beiden Händen versuchte sie eine Waggondecke hervorzuziehen, die ihr den Weg zu anderen Trümmern versperrte. Sie rannte fort und kehrte mit einer Spitzhacke zurück, die den Misard’s zum Holzhauen diente. Wie ein Holzhauer seine Axt in die Eiche des Waldes treibt, machte sie sich an das Holzgebälk. Man war bei Seite getreten und ließ sie allein arbeiten, man rief ihr nur zu, vorsichtig zu sein. Doch lag kein anderer Verwundeter mehr dort, als der Locomotivführer, den ein Haufen von Rädern und Achsen schützte. Sie hörte übrigens auf nichts, Herrin über ihre Muskeln, fielen hageldicht ihre Schläge. Jeder Schlag räumte ein Hinderniß fort. Mit ihren blonden, weit aufgelösten Haaren, ihren aus der zerrissenen Taille dringenden nackten Armen öffnete sie sich wie eine fürchterliche Mäherin einen Weg durch die Zerstörung, die sie selbst verursacht hatte. Ein letzter Schlag traf eine Achse und das Eisen der Hacke sprangentzwei. Mit Hülfe der Anderen räumte sie die Räder fort, die den jungen Mann vor der sicheren Zerquetschung bewahrt hatten und nahm ihn als Erste in ihre Arme, um ihn bei Seite zu tragen.
    »Jacques! Jacques! … Er athmet, er lebt! O Gott, er lebt! … Ich hatte doch Recht, daß er dort lag, ich sah ihn ja fallen.«
    Fast kopflos folgte ihr Séverine. Beide Frauen betteten ihn am Fuße der Hecke neben Henri, der noch immer vor sich hinstarrte, als begriffe er weder, wo er war, noch was um ihn her geschah. Pecqueux hatte sich ebenfalls genähert und stand jetzt vor seinem Locomotivführer, es jammerte ihn, Jenen so zugerichtet sehen zu müssen. Die beiden Frauen knieten rechts und links nieder, sie stützten den Kopf des Unglücklichen und beobachteten voller Angst die leisesten Zuckungen seines Gesichts.
    Endlich schlug Jacques die Augen auf. Seine Blicke wanderten von Einer zu Anderen, augenscheinlich erkannte er Niemand. Sie schienen ihn gar nicht zu kümmern. Aber als seine Augen die absterbende Locomotive trafen hefteten sie sich auf sie und man las in ihnen das wachsende Erstaunen. Jetzt erkannte er auch die Lison wieder und er erinnerte sich nun an Alles: an die Steine auf den Geleisen, an den fürchterlichen Stoß, den Zusammenbruch, den er zugleich in ihr und in sich selbst empfunden, von dem er jetzt auferstand, während sie ihr Leben dabei gelassen hatte. Sie war nicht Schuld an ihrer Widerspenstigkeit; seit sie sich ihre Krankheit im Schnee geholt, konnte sie nicht dafür, daß sie jetzt weniger geschmeidig war als früher. Auch

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