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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ausfragte, zuckte er lachend die Schultern, er machte also aus seiner Kenntniß der Beziehungen Séverine’s zu diesem kein Hehl. Nachdem ihm Herr Denizet zuerst allerlei Kreuz- und Querfragen gestellt, entwickelte er schließlich sein System, er drängte ihn geradezu in die Mitschuld an dem Morde hinein; er bemühte sich, ihm ein Geständniß zu entreißen. Roubaud aber war in der Angst, sich entdeckt zu sehen, sehr umsichtig geworden. Was erzählte man ihm da? Nicht er, sondern der Kärrner sollte den Präsidenten getödtet haben, ebenso wie Séverine und beide Male sollte er doch der eigentliche Schuldige sein, da der Andere nur in seinem Auftrage und an seiner Statt gemordet hätte? Diese verwickelte, abenteuerliche Geschichte machte ihn mißtrauisch: man stellte ihm ohne Frage eine Falle, man log ihm etwas vor, um ihm ein Geständniß betreffs der Theilnahme an dem ersten Morde zu entreißen. Bei seiner Verhaftung war es ihm sofort klar, daß auch diese alte Geschichte wieder vorgesucht werden würde. Mit Cabuche confrontirt erklärte er, diesen Menschen nicht gekannt zu haben, er hätte ihn zum ersten Male gesehen, als dieser mit blutigen Händen gerade sein Opfer nothzüchtigen wollte. Der Kärrner war außer sich und raste, so daß man aus der ganzen Geschichte überhaupt nicht mehr klug werden konnte. Drei Tage verflossen, der Richter ließ Verhör auf Verhör folgen, er war nämlich überzeugt, daß beide Verbrecher ihm eine Komödie vorspielten. Roubaud war schließlich so schlaff, daß er überhaupt nicht mehr antwortete. Mit einem Male aber, in einem Augenblick höchster Ungeduld, wollte er überhaupt mit allem zu Rande kommen. Er gab damit dem dumpfen Verlangen nach, das ihn schon seit Monaten quälte: er sagte alles, die reine, die volle Wahrheit.
    An diesem Tage gerade kämpfte Herr Denizet in seinem Bureau mit allen ihm eigenen Finessen, seine schweren Lider verhüllten seine Augen, seine beweglichen Lippen spitzten sich bei der Anstrengung, ganz besonders geistreiche Einfälle zu Tage zu fördern, scharf zu. Seit einer Stunde schon klügelteer gegen diesen aufgeschwemmten, fahlgesichtigen Verhafteten, hinter dessen behäbigem Aeußeren nach seiner Meinung eine große Verschlagenheit wohnte, allerlei gelehrte Listen aus, und er glaubte bereits, ihn Schritt für Schritt verlockt, auf allen Seiten eingeengt und schon in der Falle zu haben, als der Andere plötzlich mit den Mienen eines bis zum Aeußersten getriebenen Mannes ausrief, er hätte jetzt genug und wollte lieber alles gestehen, als noch ferner so gequält werden. Da man ihn ohnehin für den Schuldigen hielt, so wollte er, daß die Dinge wenigstens so zur Aburtheilung kämen, wie sie wirklich geschehen waren. Und je weiter er mit seiner Erzählung kam von der Verführung seiner Frau im jugendlichen Alter durch den Präsidenten, von seiner Eifersuchtswuth, als er diese Schweinereien vernommen, von seinem Morde, von seiner Entwendung der zehntausend Franken, um so weiter hoben sich die Augenlider des Richters. Er zweifelte und sein Mund verzog sich spöttisch, er drückte die Ungläubigkeit, die unbezweifelbare, berufsmäßige Ungläubigkeit des Richters aus. Er lächelte über das ganze Gesicht, als der Angeklagte schwieg. Dieser Kerl war doch noch schlauer als er gedacht hatte: den ersten Mord ganz für sich in Anspruch zu nehmen, daraus ein rein aus Leidenschaft herbeigeführtes Verbrechen zu bilden, sich also damit von jedem Verdacht des Raubmordes rein zu waschen und namentlich von der Theilnahme an der Ermordung Séverine’s, war ein kühnes Manöver, es sprach von Intelligenz, von einer wenigen gegebenen Willensstärke. Aber er konnte das Gesagte schwerlich aufrecht erhalten.
    »Sie müssen uns nicht als Kinder betrachten, Roubaud,« sagte der Richter. »Sie behaupten, daß Sie eifersüchtig waren und den Mord aus Eifersucht begangen haben?«
    »So ist es.«
    »Gut, zugegeben, es verhält sich alles so, wie Sie erzählen, dann hätten Sie also Ihre Frau ohne Kenntniß ihrer Beziehungen zu dem Präsidenten geheirathet. Ist das anzunehmen? Ihr Fall beweist gerade das Gegentheil, es hat sich Ihnen eine Spekulation angeboten. Sie haben sie erwogen und zugegriffen. Man giebt Ihnen ein wie ein Fräulein erzogenes, junges Mädchen, man stattet sie aus, ihr Beschützer wird der Ihrige, Sie wissen genau, daß man ihr einLandhaus testamentarisch vermachen wird und Sie wollen behaupten, daß Sie keinen Argwohn hatten? Nein, Sie müssen alles

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