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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Denizet vermochte nichts Anderes aus ihm herauszubringen. Vergebens wiederholte er seine Fragen, zehnmal kam er mit veränderter Taktik auf denselben Gegenstand zurück. Nein, und immer nein, er sei es nicht gewesen. Er zuckte die Achseln und ärgerte sich über dieses Thier. Als man ihn festnahm, hatte man auch seine Hütte durchsucht, aber weder eine Waffe, noch die Banknoten, noch die Uhr gefunden, dagegen hatte man einen Blutflecke aufweisenden Pantoffel als schweres Indicium mitgenommen. Abermals lachte er: er hatte einem Hasen das Genick umgedreht, daher stammten die Blutflecke auf dem Pantoffel. Der in seine fixe Idee, daß Cabuche der Mörder sei, verrannte Richter verlor jetzt jeden Halt. Er hatte zuviel der professionellen Finesse und Combinationsgabe angewandt und war damit glücklich über die einfache Wahrheit hinausgeschossen. Dieser bornirte Mensch von ungezähmter Kraft war garnicht im Stande, mit Listen zu fechten; daß er nein und immer wieder nein sagte, brachte den Richter ganz aus dem Concept. Er wollte in ihm durchaus den Schuldigen sehen, und deshalb erbitterte ihn jedes erneute Abstreiten, er faßte es als eine Verbohrtheit in die Wildheit und Lüge auf. Und doch wollte er ihn noch zwingen, das Leugnen einzustellen. »Ihr leugnet also?«
    »Entschieden, da ich es nicht gewesen bin … Wäre ich es gewesen, ich hätte mich auch stolz dazu bekannt.«
    Herr Denizet erhob sich hastig und öffnete selbst die Thür des benachbarten Zimmers. Er rief Jacques herein und fragte ihn:
    »Erkennen sie diesen Menschen wieder?«
    »Ich kenne ihn,« erwiderte der Lokomotivführer überrascht. »Ich habe ihn früher einmal bei Misard gesehen.«
    »Nein, das meine ich nicht … Erkennen Sie in diesem Menschen den Mörder wieder?«
    Jetzt verstand Jacques. Nein, in ihm erkannte er den Mörder nicht wieder. Der Andre hatte kürzer, dunkler ausgesehen. Schon wollte er es laut heraussagen, als er fand, daß er sich schon wieder zu weit vor wagte. Er antwortete daher ausweichend:
    »Ich weiß es nicht, ich kann es nicht behaupten … Ich versichere Sie, Herr Richter, ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen.«
    Herr Denizet wartete nicht weiter und rief die Roubaud herein. Auch sie fragte er:
    »Erkennen Sie diesen Menschen wieder?«
    Cabuche lächelte noch immer. Er war nicht weiter erstaunt, sondern begrüßte Séverine, die er schon, als sie noch als Mädchen in la Croix-de-Maufras gewohnt, kannte, durch ein leichtes Nicken mit dem Kopfe. Aber sie und ihr Mann waren nicht wenig überrascht, als sie Jenen an dieser Stelle erblickten. Sie begriffen: das war also der Verhaftete, den Jacques erwähnt hatte, durch den ihre abermalige Vorladung veranlaßt worden. Roubaud besonders staunte, ihn machte die Aehnlichkeit dieses Burschen mit dem sagenhaften Mörder, dessen Signalement er als das Gegentheil von seiner eigenen Person erfunden hatte, fast bestürzt. Daß zufällig Alles stimmte, konnte er gar nicht fassen, deshalb zögerte er auch mit der Antwort.
    »Erkennen Sie ihn wieder?«
    »Mein Gott, Herr Richter, ich wiederhole es Ihnen, ich habe ja nur eine bloße Empfindung von dem Individuum gehabt, das mich streifte … Jedenfalls aber ist dieser so groß wie Jener, auch ist er blond und ohne Bart …«
    »Also ist er es oder ist er es nicht?«
    Der in die Enge getriebene Unter-Inspector erzitterte in Folge des innern Kampfes. Mehr instinctiv als bewußt die Haltung, die man von ihm wünschte, erspähend, sagte er:
    »Ich kann es nicht behaupten. Aber es scheint, ja, es scheint gewiß so zu sein.«
    Jetzt begann Cabuche zu fluchen. Ihm schien es, als wollte man ihn mit dieser Geschichte direct dumm machen. Er wäre es nicht gewesen, man solle ihn laufen lassen. Das Blut drängte sich ihm in’s Gehirn, er begann mit den Fäusten zu fuchteln und wurde so fürchterlich, daß die hereingerufenen Gensdarmen ihn abführen mußten. Aber gerade diese Heftigkeit, diese Empörung der angegriffenen und nun losgehenden Bestie erhöhte Herrn Denizet’s Triumph. Seine Ueberzeugung stand jetzt fest, er machte kein Hehl mehr daraus.
    »Haben Sie seine Augen gesehen? In solchen Augen verstehe ich zu lesen … Seine Rechnung ist richtig, er gehört uns!«
    Die Roubaud sahen sich starr an. Es war also Alles zu Ende und sie gerettet? Das Gericht hatte wirklich den Schuldigen entdeckt? Es war ihnen Alles noch nicht so recht klar, sie hatten jedenfalls aber die schmerzliche Empfindung, daß, wie die Sache jetzt lag, sie eine böse

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