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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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vielleicht so gekommen, wie Sie meinten, wenn man sie nicht von mir getrennt und nach Doinville zu jener Dame gebracht hätte … Als ich eines Abends mit meinem Karren heimkam, fand ich sie halb wahnsinnig und vom Fieber verzehrt vor meiner Thür. Sie hatte sich nicht zu ihren Eltern zurückgewagt und kam zu mir –um zu sterben … O, dieses Schwein! Am liebsten hätte ich ihn auf der Stelle abgestochen!«
    Der Richter kniff seine feinen Lippen erstaunt über diesen aufrichtigen Accent des Mannes zusammen. Er hatte einen verschlossenen Menschen vor sich; daß er jetzt noch den schlimmsten Theil vor sich haben würde, hätte er nicht geglaubt.
    »Ja, ich kenne die klägliche Geschichte, die Ihr und dieses Mädchen Euch zurechtgelegt habt. Bedenkt nur, daß das ganze Leben des Präsidenten Grandmorin ihn über solche Verdächtigung erhaben machte.«
    Mit sich erweiternden Augen und zitternden Händen stotterte der Kärrner:
    »Was, was haben wir erfunden? … Die Anderen lügen, die uns der Lüge beschuldigen.«
    »Spielt nur nicht den Unschuldigen … Ich habe bereits Misard, den Mann der Mutter Eurer Geliebten, vernommen. Wenn es nöthig sein sollte, werde ich ihn Euch gegenüberstellen. Ihr sollt dann hören, was er von dem Märchen denkt … Und überlegt ein wenig Eure Antworten. Wir haben Zeugen, wir wissen Alles, Ihr thut am besten, gleich die Wahrheit zu sagen.« Herr Denizet wandte jetzt seine gewöhnliche Taktik der Einschüchterung an, denn er wußte nichts und hatte auch keine Zeugen.
    »Leugnet Ihr es auch, daß Ihr öffentlich gedroht habt, den Herrn Grandmorin abzustechen?«
    »Das habe ich gesagt, ganz gewiß. Ich habe es sogar aus voller Ueberzeugung gesagt, denn die Hand juckte mir verteufelt!«
    Herr Denizet war nicht wenig überrascht, hatte er doch ein systematisches absolutes Ableugnen erwartet. Der Verhaftete gestand die Drohungen ein? Welche List verbarg sich dahinter? Er fürchtete, etwas zu schnell zu Werke gegangen zu sein, sammelte sich einen Augenblick, dann sah er ihn scharf an und fragte ihn ohne jeden Uebergang:
    »Was habt Ihr in der Nacht vom vierzehnten auf den fünfzehnten Februar gemacht?«
    »Ich habe mich gegen sechs Uhr Abends schlafen gelegt … Ich fühlte mich nicht ganz wohl, deshalb that mir mein Vetter Louis den Gefallen eine Ladung Steine nach Doinville zu führen.«
    »Ja, man hat Euren Vetter mit dem Wagen beim Niveauübergang über den Eisenbahndamm gesehen. Aber Euer Vetter hat weiter nichts aussagen können, als daß er Euch des Mittags zum letzten Male gesehen habe … Beweist mir, daß Ihr Euch um sechs Uhr hingelegt habt.«
    »Das ist zu dumm. Wie soll ich Ihnen das beweisen? Ich bewohne mein Haus im Walde ganz allein … Ich befand mich dort, das ist Alles, was ich sagen kann.«
    Nun entschloß sich Herr Denizet zu dem großen Schlage. Vor dem Imposanten seiner Wissenschaft mußte alles Leugnen verstummen. Sein Gesicht versteinerte sich unter der Spannung seines Willens, während sein Mund Komödie spielte.
    »Ich will es Euch sagen, was Ihr am Abend des 14. Februar gethan habt … Um drei Uhr seid Ihr von Barentin aus nach Rouen gefahren, zu welchem Zweck hat die Untersuchung bisher noch nicht ergeben. Ihr mußtet mit dem Pariser Zug, der um neun Uhr drei Minuten in Rouen eintrifft, zurückkehren. Ihr standet auf dem Perron mitten in der Menge, als Ihr Herrn Grandmorin in seinem Koupee bemerktet. Ich gebe zu, bemerkt es wohl, daß eine Absicht nicht vorgelegen hat, sondern daß der Gedanke an das Verbrechen Euch dann erst gekommen ist … In Folge des Gedränges konntet Ihr unbemerkt zu ihm in das Koupee gelangen. Ihr mußtet aber mit der Ausführung Eurer That bis zum Tunnel von Malaunay warten. Ihr habt jedoch die Zeit schlecht abgewogen, denn der Zug verließ bereits wieder den Tunnel, als Ihr den Mord vollführtet … Ihr habt den Leichnam dann aus dem Koupee geworfen und seid in Barentin ausgestiegen, nachdem Ihr vorher auch noch die Reisedecke beseitigt habt … Das habt Ihr gethan.«
    Er sondirte die geringsten Falten aus dem rosigen Antlitz Cabuche’s, war aber betroffen, als dieser, der zuerst aufmerksam zugehört hatte, schließlich in ein gutmüthiges Lachen ausbrach.
    »Was erzählen Sie da? … Hätte ich den Mord vollführt, so würde ich es auch eingestehen. Ich habe ihn nicht auf dem Gewissen,« fuhr er wieder ruhig fort, »aber ich hätte es thun können. Ja, in des Teufels Namen, es thut mir leid, daß es ein Anderer gethan hat.«
    Herr

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