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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Richter mit der Wahrheit zu kommen. Wozu den Gang der Untersuchung von der falschen Fährte abbringen, wenn die wahre Spur noch zu größeren Verlegenheiten führen konnte? Das war noch sehr zu überlegen.
    »Mein Gott,« meinte er mit dem Lächeln eines müden Mannes, »ich will gern zugeben, daß Sie recht haben. Ich habe Sie nur hierher gebeten, um mit Ihnen gewisse gravirende Punkte zu besprechen. Die ganze Angelegenheit ist eine so außergewöhnliche, ja sogar politische geworden, –wie Sie wissen werden. Wir werden vielleicht gezwungen werden, als Männer der Regierung zu verfahren … Sie glauben, ehrlich gesagt, aus Ihrem Verhör erkannt zu haben, daß dieses Mädchen, das Verhältniß dieses Cabuche, vergewaltigt worden ist?«
    Der Richter spitzte die seinen Lippen, während seine Augen halb hinter den Lidern verschwanden.
    »Ja, ich glaube, daß der Präsident sie böse zugerichtet hat, der Prozeß wird es zweifellos erhellen … Wenn die Vertheidigung einem Advocaten der Opposition anvertrautwird, können wir uns auf einen ganzen Strauß von Scandalgeschichten gefaßt machen, leider kommt so etwas in unserem Lande immer vor.«
    Dieser Denizet war in der That kein Dummkopf, nur war er seiner Geschäftspraxis sklavisch ergeben und thronte dort in der absoluten Majestät seiner Umsicht und Allmacht. Er hatte begriffen, warum man ihn in die Privatwohnung des Generalsecretärs und nicht in das Justizministerium entboten hatte.
    »Wir werden,« betonte er nochmals, als er Herrn Camy-Lamotte nicht reagiren sah, »eine sehr unsaubere Geschichte zu hören bekommen.«
    Dieser begnügte sich mit einem Achselzucken als Antwort, er erwog gerade die Resultate des anderen Prozesses, des der Roubaud. Wenn der Gatte vor den Schranken erschien, verschwieg er sicher nichts; er würde erzählen, daß seine Frau schon als Mädchen entehrt worden sei, daß der Präsident den Ehebruch herbeigeführt und daß seine eifersüchtige Wuth ihn zum Morde getrieben habe. Abgesehen davon handelte es sich dann nicht mehr um eine Dienstmagd und einen schon vorbestraften Mann, sondern um einen, an eine hübsche junge Frau verheiratheten Beamten; zu der Verhandlung würde ein gewisser Theil der bürgerlichen Kreise und die ganze Eisenbahnwelt herangezogen werden müssen. Wie konnte man angesichts des vom Präsidenten geführten Lebenswandels im Voraus wissen, zu was die Verhandlung noch führen würde? Vielleicht gerieth man in nicht abzusehende Greuel. Nein, die Sache Roubaud, die der wirklich Schuldigen, war zweifellos noch viel schmutziger als die andre. Er war mit sich einig, sie fallen zu lassen. Wollte man durchaus einen Prozeß, so war er geneigt, der Gerechtigkeit betreffs des unschuldigen Cabuche freien Lauf zu lassen.
    »Ich stimme Ihrem System bei,« sagte er endlich zu Herrn Denizet. »Der Kärrner, der eine gerechte Rache auszuüben glaubte, scheint in der That schwer belastet … Aber alles das ist so unsäglich traurig und was für ein Schmutz muß erst aufgerührt werden … Ich weiß wohl, daß die Gerechtigkeit keine Rücksicht auf die Folgen nehmen darf und über den Interessen stehen muß …«
    Er vollendete den Satz nicht, sondern schloß mit einerHandbewegung, während der Richter mit stumpfsinnigem Gesicht auf die Befehle wartete, die er kommen fühlte. Von dem Augenblick an, in welchem man seine Wahrheit acceptirte, dieses Geschöpf seiner Klugheit, war er geneigt, den gouvernementalen Interessen seine Ansicht von Gerechtigkeit zum Opfer zu bringen. Der Secretär hatte es diesmal trotz seiner angeborenen Geschicklichkeit zu solchen Transactionen merkwürdig eilig, er sprach zu schnell als absoluter Herr.
    »Man wünscht mit einem Wort ein
non licet
… Ordnen Sie die Sache, damit sie klassificirt werden kann.«
    »Verzeihung,« entgegnete Herr Denizet, »ich bin nicht mehr Herr über die Sache, mein Gewissen kommt dabei in Frage.«
    Herr Camy-Lamotte lächelte, er zeigte sofort wieder seine correcte Haltung und seine höfliche, überlegene Miene, die der ganzen Welt zu spotten schien.
    »Gewiß. Ich wende mich deshalb auch an Ihr Gewissen. Ich überlasse es Ihrem Gewissen, die richtige Entscheidung zu treffen. Ich bin überzeugt, daß Sie das Für und Gegen genau abwägen werden, damit die gesunde Doctrin und die öffentliche Moral den Sieg erhält … Sie wissen, besser wie ich, daß man mitunter lieber heldenhaft ein Uebel leidet, nur um nicht in ein schlimmeres zu gerathen. Man appellirt im Uebrigen an Sie als

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