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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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man sichdieserhalb von Thür zu Thür, von einem Ende des Corridors bis zum andern eine Schlacht geliefert, so sehr waren die Leidenschaften plötzlich wieder entfacht worden.
    Inmitten dieser sich mehrenden Erdbeben hatte Séverine nur einen guten Tag, den Freitag. Seit October schon hatte sie mit aller Gemüthsruhe einen Vorwand gefunden, einen Schmerz am Knie, der sie nöthigte, einen Spezialisten aufzusuchen. Und so fuhr sie jeden Freitag mit dem von Jacques geführten Eilzug um sechs Uhr vierzig Minuten Morgens nach Paris, brachte den ganzen Tag dort mit Jacques zu und kehrte mit dem Zuge um sechs Uhr dreißig nach Havre zurück. Zuerst hatte sie geglaubt, ihrem Gatten Bericht über den Verlauf der Krankheit am Knie abstatten zu müssen: mal ginge es besser, mal schlechter; als sie aber sah, daß er garnicht auf sie hörte, hatte sie kluger Weise garnicht weiter davon gesprochen. Oft sah sie ihn an und fragte sich, ob er etwas wisse. Wie kam es, daß dieser vor Eifersucht rasende Mann, der einen anderen in thörichter Wuth getödtet hatte, jetzt einen Liebhaber duldete? Sie konnte es nicht glauben und meinte eher, sein Verstand müsse etwas gelitten haben.
    In einer eiskalten Nacht wahrend der ersten Dezembertage wartete Séverine noch spät in der Nacht auf ihren Gatten. Am nächsten Morgen, einem Freitag, noch vor Tagesanbruch wollte sie den Eilzug benutzen. An den Abenden vorher machte sie stets noch sorgfältig Toilette, legte ihre Kleider vor dem Bett zurecht, um sofort angezogen zu sein. Endlich legte sie sich hin und gegen ein Uhr schlief sie an diesem Abend ein. Roubaud war noch nicht heimgekehrt. Schon zweimal war er erst beim Morgengrauen zurückgekommen, seine wachsende Leidenschaft bannte ihn an das Café, dessen abseits gelegener kleiner Saal immer mehr zur Spielhölle wurde: man spielte jetzt dort Ecarté um große Summen. Glücklich, allein schlafen zu können und von den Aussichten auf einen angenehmen Tag sanft gewiegt, schlief die junge Frau fest unter der angenehm durchwärmten Bettdecke.
    Drei Uhr schlug es gerade, als ein merkwürdiges Geräusch sie weckte. Erst verstand sie es nicht recht, sie glaubte zu träumen und schlief wieder ein. Es klang wie dumpfes Bohren, wie Knacken von Holz, als versuchte man, eine Thürzu erbrechen. Ein etwas heftigerer Krach lieh sie plötzlich auffahren. Ein Gefühl der Furcht packte sie, gewiß versuchte Jemand, das Schloß im Corridor zu sprengen. Eine Minute hindurch wagte sie nicht zu athmen, sie lauschte mit angestrengtem Gehör. Dann hatte sie doch den Muth aufzustehen, um nachzusehen. Leise ging sie mit nackten Füßen an die Thür, ebenso leise öffnete sie diese etwas und vor Frost zähneklappernd in ihrem dünnen Hemde erblickte sie in dem Eßzimmer ein Schauspiel, daß sie vor Schreck und Ueberraschung wie festgenagelt dastand.
    Roubaud lag auf dem Bauche und hatte soeben die Scheuerleisten mit Hilfe einer Scheere aufgebrochen. Ein Licht, das neben ihm stand, beleuchtete ihn und spiegelte seinen riesigen Schatten an der Decke wieder. Das Gesicht hatte er tief über das Loch gebeugt, das wie eine schwarze Spalte längs der Wand lief und mit weit geöffneten Augen starrte er dort hinein. Das Blut hatte seine Backen gefärbt, er sah wieder ganz so aus wie damals, wie der Mörder. Rasch tauchte er die Hand hinein, aber sie fand nichts, so sehr zitterte sie. Er rückte das Licht näher heran, ihr Schein traf das Portemonaie, die Uhr, die Bankbillets.
    Séverine stieß unwillkürlich einen Schrei aus und Roubaud wandte sich erschrocken um. Zuerst erkannte er sie nicht, er glaubte, da sie ganz in Weiß gehüllt war und ihre Augen den Schrecken wiederspiegelten, ein Gespenst vor sich zu haben.
    »Was machst Du da?« fragte sie.
    Jetzt merkte er, wer es war, er antwortete nicht, sondern stieß ein dumpfes Geknurr aus. Ihre Gegenwart genirte ihn, er sah sie an und hoffte sehnlichst, sie würde wieder zu Bett gehen. Aber ein vernünftiges Wort fiel ihm nicht ein, wie sie so nackt und zitternd dastand, hätte er sie am liebsten ohrfeigen mögen.
    »War es nicht so, daß Du mir Geld zu Stiefeln verweigertest, und jetzt nimmst Du Dir Geld, weil Du verloren hast?«
    Diese Worte versetzten ihn mit einem Male in Wuth. Wollte sie ihm nun auch noch an das Leben, das letzte Vergnügen zerstören, diese Frau, nach der ihn nicht mehr verlangte, deren Besitz ihm nur noch eine unangenehmeEmpfindung schuf? Er amüsirte sich jetzt anderswo und bedurfte ihrer nicht mehr. Von

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