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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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glichen sich also in dem düsteren Inneren der menschlichen Bestie aus? Er war zu unwissend, um weiter hierüber nachzudenken und versuchte es auch nicht, die Thür des Schreckens weiter zu öffnen. Oft, wenn sie in seinen Armen lag, kam ihm plötzlich die Erinnerung an das, was sie gethan, an jenen Mord, den sie ihm mit einem einzigen Blick auf jener Bank in den Anlagen von Les Batignolles eingestanden hatte; aber er verspürte nicht die geringste Lust, die Einzelheiten jenes Vorfalles kennen zu lernen. Sie dagegen schien mehr und mehr unter dem Bedürfniß, alles sagen zu sollen, zu leiden. Wenn sie ihn an sich preßte, merkte er wohl, daß sie mit ihrem Geheimniß geladen war und unter ihm seufzte, daß sie völlig in ihn aufzugehen wünschte, um diese erstickende Last von sich werfen zu können. Ein mächtiger Schauder theilte sich dann allen ihren Gliedern mit und drängte sich durch ihre liebestolle Kehle in Gestalt einer wirren Fluth von Seufzern auf ihre Lippen. Mit ersterbender Stimme, von einem Krampfe gepackt, begann sie zu sprechen. Er aber verschloß ihr schnell mit einem Kusse den Mund und siegelte dort, von einer Unruhe gefoltert, das Geständniß fest. Warum sollte sich dieses Unbekannte zwischen sie drängen? Wer konnte wissen, ob dasselbe nicht eine Umwälzung in ihrem Glück hervorbringen würde? Er witterte eine Gefahr, ein leises Erschaudern theilte sich ihm mit bei dem Gedanken, daß alle diese blutigen Dinge wieder zum Vorschein kommen würden. Und sie ahnte wohl, was in ihm vorging, sie wurde wieder das Geschöpf der Liebe, welches, wie es schien, nur geschaffen war, um zu lieben und geliebt zu werden, zärtlich und folgsam. Eine wahnsinnige Begier nach ihrem Besitze pflegte ihn dann zu packen und oft blieben sie wie ohnmächtig sich in den Armen liegen.
    Roubaud hatte seit dem Sommer etwas gemagert; je mehr seine Frau sich aufheiterte und zur Frische ihrer zwanzig Jahre zurückkehrte, desto älter und verdüsterter wurde er.Er hatte sich innerhalb von vier Monaten, wie sie sagte, sehr verändert. Er drückte Jacques noch immer freundschaftlich die Hand, lud ihn noch ein und fühlte sich nur glücklich, wenn er ihn am Tische hatte. Aber diese Zerstreuung allein genügte ihm nicht mehr, er ging öfters aus, mitunter hatte er noch nicht den letzten Bissen heruntergeschluckt, als er schon aufsprang und unter dem Vorwande, daß er an die frische Luft müsse, seinen Kameraden mit seiner Frau allein ließ. In Wahrheit besuchte er jetzt häufig ein kleines Café am Napoleonsgraben, wo er mit Herrn Cauche, dem Polizeicommissär, zusammentraf. Er trank wenig, nur kleine Gläschen Rum; aber er hatte Geschmack am Spiel gefunden, das in eine Leidenschaft auszuarten drohte. Er belebte sich, er vergaß alles, sobald er die Karten in der Hand hatte und sich in eine unendliche Partie Piquet verlor. Herr Cabuche, ein fanatischer Kartenspieler, hatte vorgeschlagen, die Partien zu interessiren; man spielte sie jetzt schon zu hundert Sous. Roubaud kam sich erstaunt als ein neuer Mensch vor, er brannte vor Verlangen nach Gewinn, er fieberte nach gewonnenem Gelde, welche Krankheit gewöhnlich damit endet, daß man im Würfelspiel seine Lebensstellung und sein Leben zugleich wagt. Sein Dienst quälte ihn nicht allzusehr, er drückte sich, sobald er frei war und kehrte in den dienstfreien Nächten gewöhnlich erst um zwei oder drei Uhr morgens heim. Seine Frau grämte sich darüber nicht besonders, es ekelte sie nur an, daß er immer widerwärtiger nach Hause zurückkehrte. Er hatte nämlich ein unglaubliches Pech und stürzte sich in Schulden.
    Eines Abends brach zum ersten Male ein offener Streit zwischen Séverine und Roubaud aus. Sie haßte ihn noch nicht, wohl aber ertrug sie seine Gegenwart nur mit Widerwillen; sie fühlte, wie er ihr Leben belastete, sie hätte so leicht, so glücklich leben können, wenn seine Gegenwart sie nicht beengte. Deshalb machte sie sich aus dem von ihr begangenen Betruge gar kein Gewissen; war es nicht seine Schuld, hatte er sie nicht erst zum Falle hingedrängt? In der langsamen Trennung, die sich zwischen ihnen vollzog, tröstete sich Jeder von ihnen damit, daß er nur wegen der Heilung von dem sie desorganisirenden Nebel vom rechten Wege abirrte: er spielte, warum sollte sie keinen Liebhaber besitzen? Aber was sie besondersärgerte und sie empörte, war, daß sie seiner beständigen Verluste wegen in Verlegenheit gerieth. Seit die Fünffrankenstücke in das Café am

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