Die Bestie im Menschen
Napoleonsgraben wanderten, konnte sie öfters ihre Wäscherin nicht bezahlen. Alle Arten von Annehmlichkeiten, kleine Toilettengegenstände mußte sie vollständig entbehren. An jenem Abend brach der Zank wegen eines Paares Stiefel aus, das sie nothwendiger Weise haben mußte. Er war gerade im Begriff fortzugehen. Er fand nicht gleich das Tischmesser, um sich ein Stück Brod abzuschneiden und nahm das große Messer, die Waffe, welche in einer Schublade des Büffets ruhte. Sie sah ihn an, während er ihr die zehn Franken für die Stiefel verweigerte, denn er hatte sie nicht, und wußte nicht, woher sie nehmen. Sie wiederholte eigensinnig ihr Verlangen und zwang ihn, der sich allmählich etwas aufregte, immer wieder seine Weigerung zu wiederholen. Plötzlich wies sie auf die Stelle des Fußbodens, wo die Gespenster schliefen; sie sagte ihm, daß dort Geld zu finden sei und daß er ihr von diesem geben sollte. Er wurde sehr bleich und ließ das Messer wieder in die Schublade fallen. Einen Augenblick glaubte sie, daß er sie schlagen wollte, denn er hatte sich ihr genähert und gedroht, daß das Geld lieber da verfaulen solle und er sich lieber die Hand abschneiden wolle, als etwas davon zu nehmen. Er ballte die Fäuste, er drohte, sie zu ermorden, wenn sie sich etwa einfallen ließe, in seiner Abwesenheit die Leiste zu entfernen und einen Centime zu entwenden. Nie und nie, das wäre todt und begraben! Sie hatte ebenfalls gezittert bei dem Gedanken, dort wühlen zu müssen. Dann sollte lieber das Elend kommen und Beide verhungern. Sie sprachen auch nie wieder davon, selbst nicht an den Tagen fürchterlicher Verlegenheit. Wenn sie den Fuß auf diese Stelle setzten, wuchs das unerträgliche Gefühl, so daß sie lieber einen Umweg machten.
Ein zweiter Zank brach wegen la Croix-de-Maufras aus. Warum verkauften sie das Haus nicht? Sie warfen sich gegenseitig vor, daß Keiner etwas zur Beschleunigung dieses Verkaufes beitrüge. Er weigerte sich noch immer mit aller Entschiedenheit sich damit abzugeben, während sie auf die wenigen Briefe, die sie an Misard dieserhalb richtete, nur ausweichende Antworten erhielt; es hätte sich noch kein Käufereingefunden, die Früchte wären abgefault und das Gemüse mangels Pflege nicht gediehen. Auf diese Weise entfloh nach und nach die tiefe Ruhe, die über das Ehepaar nach jener Krisis gekommen war und neue Kämpfe schienen in Folge dieses fieberhaften Beginns der Feindseligkeiten unausbleiblich. Alle die Keime des Nebels, das versteckte Gold, der eingeführte Liebhaber lagen offen da und trennten und hetzten Eines auf das Andere. In dieser wachsenden Unruhe mußte das Leben zur Hölle werden.
Durch ein merkwürdiges Zusammentreffen von Umständen wuchs das Mißgeschick Roubauds: ein neuer Sturmwind von Klatschereien und Diskussionen pfiff durch den Hauptcorridor. Philomène hatte plötzlich mit Frau Lebleu gebrochen, weil Letztere sie verleumdet und ihr vorgeworfen, sie hätte ihr ein schon krepirtes Huhn verkauft. Die wahre Ursache des Bruches aber lag in der Annäherung von Philoméne an Séverine. Pecqueux hatte eines Nachts letztere am Arme von Jacques erkannt und diese hatte kluger Weise ihre Skrupel von ehedem schweigen geheißen und sich zur Geliebten des Heizers liebenswürdig gezeigt. Philomène aber, der die Verbindung mit der vornehmen Dame sehr schmeichelte, über deren Schönheit und Distinction auf dem ganzen Bahnhof nur eine Stimme herrschte, hatte sich flugs von der Kassirersfrau, diesem alten Klatschmaul abgewandt, die nach ihrer Meinung die Berge aufeinander zu hetzen im Stande war. Sie gab ihr jetzt völlig Unrecht, und ließ Jeden, der es hören wollte, wissen, daß es ganz abscheulich sei, den Roubaud die Wohnung nach der Straße, die ihnen zukäme, vorzubehalten. Die Dinge nahmen also für Frau Lebleu eine schlimme Wendung, wie es schien, um so mehr, als ihr Eigensinn, Fräulein Guichon durchaus bei einem Stelldichein mit dem Bahnhofsvorsteher überraschen zu wollen, ihr ernstliche Unannehmlichkeiten zuzuziehen drohte: sie ertappte Niemand, wohl aber hatte sie das Unglück, selbst abgefaßt zu werden, als sie gerade das Ohr an eine Thür gelegt hatte, um zu lauschen. Herr Dabadie war über diese Spionage außer sich und hatte erklärt, daß, wenn Roubaud noch Ansprüche auf die Vorderwohnung mache, er gern den Brief mit unterzeichnen werde. Moulin hatte, trotzdem er für gewöhnlich sehr wenig gesprächig war, diese Aeußerung sofort weitererzählt. Beinahe hätte
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