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Die Bestie von Florenz

Die Bestie von Florenz

Titel: Die Bestie von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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Pacciani & Co. für einen finsteren, mächtigen Geheimbund gemordet hatten. Amerikaner mochten über die bloße Idee spotten, dass ein Satanskult hinter diesen Morden stecken könnte, aber Italiener fanden das weder ungewöhnlich noch unglaublich. Es hatte von Anfang an Gerüchte gegeben, hinter den Morden müsse eine einflussreiche, wichtige Person stecken, ein Arzt oder Adliger. Die Ermittlung in Richtung einer Teufelssekte schien eine logische Fortführung dieses Gedankens zu sein, und die meisten Italiener hielten sie für gerechtfertigt.
    Wir hofften, diese falsche Ruhe empfindlich zu stören.
    Der Artikel für den New Yorker lieferte sehr starke Argumente gegen Pacciani als Bestie von Florenz. Wenn er es nicht war, dann hatten seine geständigen »Picknick-Freunde« gelogen, und Giuttaris Theorie von der Teufelssekte, die auf ihren Aussagen beruhte, brach in sich zusammen. Was nur noch eine Ermittlungsrichtung offenließ: die Sardinien-Spur.
    Mario wusste, dass die Carabinieri dieser Spur heimlich weiter nachgegangen waren. Ein geheimer Informant bei den Carabinieri, dessen Identität nicht einmal ich kenne, hatte Mario erzählt, dass sie auf den richtigen Augenblick warteten, um der Welt das Resultat ihrer Arbeit zu enthüllen. »Il tempo è un galantuomo« , hatte der Informant zu Spezi gesagt – »Die Zeit ist ein Gentleman.« Spezi hoffte, dass unser Artikel im New Yorker die Carabinieri in Bewegung bringen und die Ermittlung wieder auf die richtige Spur setzen würde – und damit die Bestie endgültig entlarvt werden könnte.
    »Italiener«, erklärte Mario mir, »sind sehr empfänglich für die öffentliche Meinung in Amerika. Wenn eine amerikanische Zeitschrift vom Format des New Yorker Pacciani für unschuldig erklärt, wird das einen Aufruhr verursachen, und damit meine ich einen Aufruhr. «
    Als sich der Sommer 2001 dem Ende zuneigte, bereitete unsere Familie alles für die Abreise vor. Wir wollten am 14. September von Boston nach Florenz fliegen, denn am 17. mussten die Kinder wieder in die Schule.
    Der 11. September 2001 änderte alles.
    Gegen zwei Uhr an diesem langen, schrecklichen Tag schaltete ich den Fernseher in der Küche unseres alten Bauernhauses in Maine aus. Ich musste an die frische Luft. Ich nahm meinen sechsjährigen Sohn Isaac mit und machte einen Spaziergang. Der Tag leuchtete in herbstlicher Pracht, das letzte große Fest des Lebens vor dem Winter. Die Luft war schon frisch und roch nach Holzrauch, der Himmel war strahlend blau. Wir überquerten die frisch gemähten Wiesen hinter dem Haus, gingen an den Apfelbäumen des Obstgartens vorbei und eine ehemalige Holzfällerstraße entlang in den Wald. Nach anderthalb Kilometern bogen wir von dem Weg ab, schlugen uns in die Büsche und suchten nach einem Biberteich, der versteckt mitten im Wald liegt, wo die Elche leben. Ich wollte weg von sämtlichen Spuren menschlicher Existenz, wollte entkommen, mich verlieren, einen Ort finden, der vom Grauen dieses Tages unberührt geblieben war. Wir zwängten uns durch das Dickicht zwischen Fichten und Kiefern, stapften durch kleine Sümpfe und überquerten Teppiche aus Torfmoos. Nach einem knappen Kilometer leuchtete vor uns die Sonne zwischen den Baumstämmen, und wir erreichten den Biberteich. Die Wasseroberfläche war vollkommen still und schwarz und spiegelte den Nadelwald, der sich darüberbeugte, hier und da belebt vom roten Laub eines herbstlich gefärbten Ahorns am Ufer. Es roch nach grünem Moos und feuchten Kiefernnadeln. Ein ursprünglicher Ort, dieser namenlose Teich an einem unbekannten Bach, jenseits von Gut und Böse.
    Während mein Sohn von Bibern angenagte Stöcke suchte, hatte ich einen Moment Zeit, meine Gedanken zu sammeln. Ich dachte darüber nach, ob es richtig sei, mein Land zu verlassen, das gerade angegriffen wurde. Ich überlegte, ob es sicher sei, mit meinen Kindern in ein Flugzeug zu steigen. Und ich fragte mich, wie dieser Tag unser aller Leben in Italien verändern würde, falls wir dorthin zurückkehrten. Dabei kam mir auch der eher beiläufige Gedanke, dass der New Yorker -Artikel über die Bestie von Florenz wohl doch nicht erscheinen würde.
    Wie die meisten Amerikaner entschieden wir uns dafür, unser Leben weiterzuführen wie bisher. Wir flogen am 18. September nach Florenz, sobald es wieder möglich war. Unsere italienischen Freunde luden uns zum Abendessen in eine Wohnung an der Piazza Santo Spirito ein, von der aus man eine großartige Aussicht auf die von

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