Die Bestie
war das Schlimmste des rein persönlichen Teils bereits hinter ihm – allerdings noch nicht vollständig. Doch immerhin hatte er bereits den Beginn seiner Existenz nachgewiesen. Sobald seine militärischen Unterlagen eintrafen, würde er eine lückenlose Kette bis zum vierundzwanzigsten Lebensjahr aufstellen können. Das wäre, wenn man es genau betrachtete, eine ganz beachtliche Grundlage. Und da sich sein bewußtes Leben im Alter von dreiunddreißig wieder eingestellt hatte, verblieben damit noch neun Jahre, über die es Nachforschungen anzustellen galt.
Sein starkes Selbstvertrauen schwand. Neun Jahre! Das war nicht gerade eine kleine Lücke. Im Gegenteil, es war eine verdammt lange Zeit.
Seine militärischen Papiere trafen am Nachmittag des neunzehnten Tages ein. Es war gedrucktes Formular, auf dem die Antworten mit Schreibmaschine in die dafür vorgesehenen Stellen eingetragen worden waren.
Da stand sein Name, sein Alter ... Luftwaffeneinheit ... der Name seines nächsten Verwandten, »Eleanore Pendrake, Ehefrau«. Schwere Verwundungen oder Verletzungen: »Amputation des rechten Arms unterhalb der Schulter nach Verletzung bei Flugzeugabsturz ...«
Pendrake starrte entgeistert auf das Formular. Was sollte das? Er hatte doch noch seinen rechten Arm! dachte er.
Das Gefühl lastender Schwere verging, als er das Stück Papier ansah. Der Gedanke kam: »Was für ein Schnitzer! Irgendein Idiot in der Registrierabteilung des Pentagons muß eine falsche Urkunde erwischt und diese Information abgetippt haben.« Doch noch während eine Hälfte seines Gehirns diese Erklärung zurechtzimmerte, akzeptierte die andere Hälfte bereits das Geschriebene, übernahm es und wußte, daß kein Irrtum vorlag, daß dieses Formular keinen Schnitzer enthielt. Das Versehen, das Falsche, lag nicht in einer Registrierabteilung. Es war hier, in ihm. Er konnte sich nicht länger etwas vormachen. Ganz offensichtlich war er nicht der Jim Pendrake, der in diesen Akten beschrieben wurde.
Die Zeit war deshalb gekommen, denjenigen gegenüberzutreten, die wußten, wer er war. Was auch immer der Grund dafür sein mochte, ihn glauben zu machen, daß er Jim Pendrake war – er mußte ihn nun endlich ans Tageslicht zerren.
Es war vier Uhr, als er durch das offene Eisentor der sechs Meter hohen Umzäunung einbog und seinen Wagen der Einfahrt entlangsteuerte, die sich szenisch zwischen den Bäumen hindurchwand. Er brachte das Fahrzeug in die riesige Garage. Anrellas Chauffeur kam herbei.
Gregory fragte: »So früh zu Hause, Mr. Pendrake?«
»Ja«, entgegnete Pendrake brüsk.
Als er durch den Garten auf die französischen Flügelfenster zuging, glitt in seiner Nähe ein Schatten über den Boden. Er blickte auf und sah, daß er von einem Flugzeug stammte, das sich seinem Privatflugfeld näherte. In rascher Folge tauchten vier weitere Flugzeuge hinter dem ersten auf, und alle verschwanden kurz darauf hinter den Bäumen.
Pendrake zog ob der bevorstehenden Störung finster die Brauen zusammen, als Anrella ans Fenster kam. Sie rief: »Was war das, Liebchen?«
Er ließ es sie wissen, und sie sagte betroffen: »Flugzeuge!« Noch im selben Atemzug fügte sie hastig hinzu: »Jim – steige wieder in deinen Wagen! Fahre so schnell wie möglich fort von hier!«
Er blickte sie an. »Du kommst besser auch mit.«
Sie rannte aus Leibeskräften, und das allein sah schon merkwürdig genug aus. Als sie in den Wagen sprang, trieb sie ihn atemlos an: »Jim, wenn dir deine Freiheit lieb ist, beeile dich! «
Als sein Wagen auf das Tor zuschoß, das den Weg nach Alcina freigab, sah Pendrake zwei Jeeps durch die Öffnung einbiegen und seinen Weg verstellen. Er verlangsamte seine Fahrt; dann wurde ihm klar, daß er zur Fortsetzung seiner Flucht den Wagen umdrehen mußte, und so hielt er an. Einer der Jeeps setzte sich in Bewegung und kam herübergeflitzt.
Die kaltblickenden Frauen, die in ihm saßen, hielten Pistolen auf ihn gerichtet. Sie winkten ihm, zum Haus zurückzukehren. Er führte die Anordnung wortlos aus, doch hatte er bereits erkannt, daß er es mit den weiblichen Spezialagenten von Präsident Dayles zu tun hatte, und das erleichterte ihn ein wenig.
Am Haus angelangt, sah er, daß die ganze Bande umstellt und zusammengetrieben worden war. Versammelt im Garten waren Nesbitt, Yerd, Shore, Cathcott, und das gesamte Dienstpersonal, Gregory eingeschlossen. Alles in allem standen nahezu vierzig Personen vor einem regelrechten Arsenal von Maschinenwaffen
Weitere Kostenlose Bücher