Die Bestie
Kälte kaum, doch dauerte es nicht lange, bis sie zu einem stechenden Beißen wurde, das sich in seinen Körper fraß und sein Inneres lähmte. Nach wenigen Minuten war fast sein ganzer Leib gefühllos, und seine Zähne klapperten. Erschrocken dachte er: Der verfluchte Raumanzug mußte nur dafür bestimmt gewesen sein, die ungeheure Hitze des Mondtages vom Träger abzuhalten – ohne jegliche Berücksichtigung der Kälte der Nacht.
Er erreichte die Grathöhe und blieb stehen, seine Vorderseite mit geschlossenen Augen der vollen Gewalt der niedrig stehenden Sonne aussetzend. Trage begann die Wärme in seine Adern zurückzuströmen; er erinnerte sich an seine letzte Hoffnung und sah sich um. Während er seinen Blick lange schweifen ließ, begann in ihm ein Gefühl wachsender Verzweiflung fühlbar zu werden. Er hatte gehofft, daß die Flugmaschine nach dem Verlust ihrer Tragfläche doch noch irgendwo hinter dem Hügelkamm in die Sandwüste gestürzt war. Doch abgesehen von kleineren Felsbrocken unterbrach nichts die glatte Fläche der Staubebene, außer sieben Kratern, die sich wie gähnende Hexenmünder in der Ferne sehen ließen.
Er war bereits seit über einer Stunde auf sie zugegangen, die als »Schaufel« dienende Metallplatte noch immer in der Hand, bevor es Pendrake plötzlich auffiel, daß die Sonne tiefer am Firmament stand, als eine Weile zuvor.
Die Nacht brach herein.
Die Situation war grotesk: Ein einzelner, verlassener Mensch in einer öden Wüste, der von Krater zu Krater lief, während eine phantastisch flackernde Sonne an einem Firmament tiefer und tiefer sank, das schwärzer war als der Mitternachtshimmel der Erde. Die erloschenen Vulkane waren ohne Ausnahme klein; der größte von ihnen maß nur etwa dreihundert Meter im Durchmesser. Die langen Schatten der Kraterkämme wurden von den schräg einfallenden Sonnenstrahlen auf die Kraterböden geworfen, und es war allein der von den Wänden reflektierte Schein, der es Pendrake ermöglichte, zu erkennen, daß der Bimsstein-Ozean auch hier seine schweigenden, alles verhüllenden Wellen lockeren Staubes ausgebreitet hatte.
Zwei ... vier, fünf Krater – und noch immer keine Spur von dem, wonach er suchte. Wie er es bei den anderen gemacht hatte, erkletterte er den sechsten von der sonnenbeschienenen Seite und stand dann leicht schwankend auf seinem Grat, um in die schwarzen Schatten der flachen Vertiefung zu spähen. Bimsstein, scharfkantige Brocken von Lava, aufragende Haufen von Felsstücken, die schwärzer waren als die sie verschlingenden Schlagschatten ... der Anblick war inzwischen so vertraut geworden, daß ihn seine Augen nur flüchtig aufnahmen, um dann in dumpfer Enttäuschung weiterzuschweifen.
Sein suchender Blick hatte den Höhleneingang am jenseitigen Rand des Kraterbodens bereits dreißig Meter hinter sich gelassen, bevor er siedend heiß erkannte, daß seine Suche von Erfolg gekrönt war.
Es schien ihm, daß er am Rand der Ewigkeit stand. Der Rand des Kraters begrenzte die lichtübersäte Schwärze des Weltraums zur einen und die zackigen Vorsprünge des Vulkans zur anderen Seite. Er eilte aufs neue voran. Die Sonne hing wie ein Flammentropfen am samtenen Firmament. Er konnte sie zu seiner Rechten aus dem Augenwinkel sehen, und sie schien zu erzittern, als ob sie sich zum Sprung in die Tiefe vorbereitete. Ihr blendender, strahlender Schein warf Schatten, die mit jedem verstreichenden Augenblick länger und schärfer zu sein schienen. Jede Rille, jede Unebenheit des Bodens besaß ein eigenes Bett der Schwärze.
Pendrake mied die Schlagschatten. Sie waren wahre Brunnenschächte der Kälte, und seine Beine wurden gefühllos, wenn er sie durchmaß. Sein Anzug enthielt eine Lampe – der einzige Gegenstand, der ihm von seinen Entführern gelassen worden war. Er schaltete sie ein. Die Sonne sah jetzt wie ein halbes Rad mit wehenden Bändern aus, das zu seiner Rechten aufrecht auf dem Boden des Horizonts zu stehen schien. Die übrigen Krater waren nun in Dunkelheit gehüllt, in eine abgrundtiefe Nacht. Pendrake schauderte und sprang in den Höhleneingang hinunter. Der Lichtstrahl aus seiner Helmlampe löste aus der Dunkelheit ein Stück des Bodens, der mit Bimssteinstaub bedeckt war.
Die fürchterliche Kälte drang auf ihn ein, als er aus Leibeskräften grub. Selbst angestrengte, kraftvolle Bewegungen genügten jetzt nicht mehr, um ihn warmzuhalten, wie sie es vorher im Schein der Sonne getan hatten. Die Kälte zehrte von seiner Stärke,
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