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Die Bestien von Belfast

Die Bestien von Belfast

Titel: Die Bestien von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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Schreibtischen und beugten sich über Monitore oder Zeitungen.
    Er betrat verstohlen das kleine Büro und war dem Mann so nahe, dass er die Haare in seinem Ohr erkennen konnte. Der Mann machte einen entspannten Eindruck und hatte die langen Beine auf den Schreibtisch gelegt. Er kritzelte in einem Notizbuch. Im Radio spielte Van Morrison so leise, dass man es kaum hören konnte.
    »Hallo, Mark. Schon wieder am Faulenzen?«
    »Herrgott!« Wilson wäre beinahe vom Stuhl gefallen. »Kane! Was machst du denn hier? Und warum schleichst du dich so an?«
    »Hat dir dein Vater nie beigebracht, dass man einen Hund am besten am Schwanz fängt, und zwar wenn er schläft?«
    »Was?« Wilson ließ eine leicht ratlose Miene sehen. »Hast du getrunken?«
    »Kaffee. Eimerweise. Vielleicht bin ich deshalb so aufgekratzt. So verflucht hibbelig.« Karl lächelte gezwungen. »Alte Gewohnheiten wird man nur schwer wieder los, nicht? Ich dachte mir, dass du hier rumhängen und Überstunden schinden würdest.«
    »Wie bist du zum Hintereingang reingekommen?« Wilson sah verärgert und leicht verwirrt drein. »Der ist nicht allgemein zugänglich.«
    »Vielleicht hat mir einer deiner Männer geholfen? Oder vielleicht komme ich schon so lange hierher, dass ich nur die Ohren spitzen und euch Großmäulern folgen muss? Such dir was aus.«
    Wilson stieß sich vom Schreibtisch ab und stand auf. Sein Gesicht war gerötet. »Du solltest schnellstens damit rausrücken, was du hier willst; andernfalls landest du unten in einer der Zellen.«
    »Wie ein kleiner Schläger. Immer drohen, wenn du was willst.«
    »Ich hab genug von dieser Scheiße. Du wanderst nach unten.« Wilson wollte einen Knopf auf seinem Schreibtisch drücken.
    »Ich würde das nicht machen, Mark«, sagte Karl. »Deine Vorgesetzten könnten mich im Schlaf murmeln hören, dass in Belfast unbehelligt Mörder unterwegs sind.«
    Wilsons Finger erstarrte. Sein Gesicht veränderte sich schlagartig, als hätte ihm jemand eine spitze Nadel ins Ohr gestochen. »Du hast getrunken. Oder nicht?«
    »Du hast mir gesagt, ich soll mich melden, wenn ich etwas rausfinde.«
    »Und deshalb schleichst du dich zum Hintereingang rein?«
    »Es ist besser, wenn mich niemand sieht. Schließlich will ich nicht, dass jemand auf die Idee kommt, ich würde singen. In dieser Stadt ist es nicht gesund, wenn man singt. Sogar recht tödlich. Ist es nicht so?«
    Im Aschenbecher lag eine angezündete Zigarette, deren glimmendes Ende Karl verführerisch anstrahlte. Was hätte er jetzt nicht alles für einen ordentlichen Zug gegeben, um seine flatternden Nerven zu beruhigen.
    »Und? Ich höre. Was hast du für mich?«, fragte Wilson mit einem leicht gereizten Unterton in der Stimme.
    »Du hast mir in der Nacht, als Chris Brown ermordet wurde, doch gesagt, die Nachbarn hätten ›seinen Hund gehört, der offenbar wie verrückt gebellt hat‹. Weißt du noch?«
    Wilson verzog das Gesicht. »Na und?«
    »Ich habe mich bei den Nachbarn umgehört. Keiner hat gesagt, dass er den Hund bellen gehört hat.«
    »Du kennst doch die Gegend. Dort würde keiner einem Fremden gegenüber zugeben, dass er mit der Polizei geredet hat.«
    »Chris Browns Hund war ein Kongo-Terrier namens Paisley.«
    Wilson zuckte die Achseln. »Und wenn er ein großer, sabbernder Bernhardiner namens Gerry Adams gewesen wäre, mir egal. Worauf willst du hinaus?«
    »Kongo-Terrier sind eine der ältesten Hunderassen und kommen ursprünglich aus Afrika. Menschen halten sie seit Jahrtausenden als Haustiere. Ihr Bild sieht man auf Stelen in den Gräbern ägyptischer Pharaonen. Man schätzt sie wegen ihrer Intelligenz, Tapferkeit, Schnelligkeit, besonders aber, weil sie so still sind.«
    »Was?«
    »Ein Kongo-Terrier bellt nicht. Das war Chris’ Witz, weshalb er ihn Paisley genannt hat.«
    Wilson setzte sich langsam wieder. Er bewegte zaghaft die Lippen. Kein Laut kam heraus.
    Karl fuhr fort. »Die Nachbarn haben nicht die Polizei gerufen, weil der Hund gebellt hat. Die einzigen, die die Polizei gerufen haben, waren die Mörder von Chris Brown.«
    »Red keinen Unsinn. Warum sollten sie das tun?«
    »Diese besonders tapfere Bande von Wichsern hatte vermutlich alles im Voraus geplant, bis ins kleinste Detail. Der Hund im Garten wurde mit einem Schalldämpfer erledigt. Die Dunkelheit als Schutz. Ein gelähmter, schlafender Mann. Eine Schrotflinte, um ihm den Kopf wegzuballern. Eine prima Botschaft für alle anderen potenziellen Sänger. Perfekt. Was konnte da schon

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