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Die Bestien von Belfast

Die Bestien von Belfast

Titel: Die Bestien von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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Geburtstagstorten.
    Er machte den Motor aus, ließ das Auto im Leerlauf die Straße entlangrollen und löschte auch die Scheinwerfer. Der schmutzige Regen, der jetzt niederging, hatte zur Folge, dass sich weniger Leute auf den Straßen aufhielten und ihn im Schutz der Dunkelheit kaum ein Bewohner des Hauses sehen würde. Mit etwas Glück dürften die meisten schon nach Hause gegangen sein. Er wollte sich nur mit einem Menschen treffen.
    Er betrachtete seine Hände, und ihm gefiel nicht, was er sah. Sie zitterten, obwohl die Heizung warme Luft ins Wageninnere blies.
    Er kramte im Handschuhfach und fand das zerknitterte Päckchen Benson & Hedges. Er zog eine der verbogenen Zigaretten heraus, steckte sich eine in den trockenen Mund und suchte in der Manteltasche nach einem Feuerzeug, als ihm einfiel, dass Naomi alles, das ihn in Versuchung führen könnte, aus seinen Sachen entfernt hatte.
    Frustriert spuckte er die Zigarette aus. »Scheißdreck!«
    Was zum Teufel hast du überhaupt hier draußen zu suchen, ganz allein und mit einer Scheißangst im Nacken? Willst du deine John-Wayne-Fantasien ausleben? Reiß dich zusammen, und geh wieder zurück ins warme Bett zu der Frau, die dich Dummkopf aufrichtig liebt. Na los. Kehr um, bevor es zu spät ist …
    Er schenkte seiner eigenen Ermahnung keine Beachtung, sondern stürzte sich in die drohende Gefahr, die sich abzeichnete, stieg hastig aus dem Auto und verspürte einen seltsamen Schwung, der ihn im strömenden Regen mit gesenktem Kopf zur Seitenwand des Gebäudes trieb. Der heftige, böige Wind schien ihm auch die letzten Zweifel auszutreiben, die noch an ihm nagten.
    Als er die Fassade des Gebäudes erreichte, neigten Überwachungskameras die unproportionierten Köpfe. Er beachtete sie nicht, gab eine Zahlenkombination in die Tastatur neben der großen Eingangstür ein. Als er die Klinke niederdrückte, hörte er ein Klicken, der Verriegelung eines Tresors nicht unähnlich, doch zu seiner grenzenlosen Erleichterung – paradoxerweise vermischt mit ebenso grenzenlosem Grauen – ließ sich die Tür öffnen.
    Im Inneren lehnte er sich mit dem Rücken dagegen, schloss die Augen und ließ die Luft aus den Lungen entweichen. Je mehr Sekunden verstrichen, desto deutlicher spürte er etwas in seinem Inneren emporsteigen. Adrenalin? Wahnsinn?
Jetzt gibt es kein Zurück mehr, du Dummkopf.
    Seine Angst färbte auf alles ab. Rabenschwarze Bilder geisterten durch sein Denken. Er bildete sich alles Mögliche ein. Sah in allen Ecken verstohlene Bewegungen. Sah Schatten über pockennarbige Wände huschen.
    Er griff nervös an die Manteltasche und vergewisserte sich, dass die Waffe noch da war, als hätte ein nächtlicher Taschendieb ihn bestehlen und schutzlos zurücklassen können.
    In den Eingeweiden des Gebäudes befand sich der robuste, breite Leib einer zehn Stockwerke hohen Treppe aus schwarzem Metall. Er erklomm diese Treppe leise, hielt auf jedem Stockwerk kurz inne und vergewisserte sich, dass ihm niemand folgte.
    Im zweiten Stock ruhte er aus, damit er wieder zu Puste kam. Abgesehen von seinem keuchenden Atmen herrschte Stille. Zum Glück schienen die meisten Bewohner nach Hause gegangen zu sein, doch das verhinderte nicht, dass er ins Schwitzen kam. Sein vom Regen durchnässter Mantel roch nach Hund. Er fühlte sich schrecklich allein und schutzlos.
    Er stieg in den dritten Stock hinauf, blieb vor der Tür stehen und lauschte dem Nichts weißen Rauschens im Inneren: alte, knisternde Neonröhren, dumpf summende Computer, das Scheppern eines Getränkeautomaten, der in den letzten Zügen lag und bald den Geist aufgeben würde. Für Karl waren diese Geräusche nichts anderes als Warnungen, die es zu ignorieren galt.
    Als er den Türknauf drehte, rutschte er ab.
Schweiß? Regen? Komm schon!
Er trocknete sich die Hand am Mantel ab und versuchte es erneut. Der Knauf ließ sich drehen. Die Tür ging ein Stück weit auf.
    Er schlich sich ins Innere, orientierte sich kurz und rief vage Erinnerungen ab. In diesem Abschnitt des Stockwerks war er noch nie gewesen, doch als er einmal nach links und anschließend nach rechts abgebogen war, befand er sich auf vertrautem Gelände.
    Das Licht in dem Büro war gedämpft, aber nicht so sehr, dass er die Silhouette hinter der Milchglasscheibe nicht gesehen hätte. Auf der anderen Seite des Raumes arbeitete jemand am Fotokopierer. Er sah, wie die Maschine langsam Blatt für Blatt erbrach. Einige andere saßen mit hängenden Köpfen an ihren

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