Die Bestimmung - Letzte Entscheidung: Band 3 (German Edition)
habe ich stattdessen in den Gängen gestanden und gelesen. Hast du das gewusst? Sie hat mich einige Male erwischt und niemals ein Wort darüber verloren. «
» Wirklich? « Ich verspüre ein Ziehen in der Brust. » Das wusste ich nicht. «
» Ich schätze, wir haben voneinander ziemlich viel nicht gewusst. « Er trommelt mit den Fingern auf den Tisch. » Ich wünschte, wir wären aufrichtiger zueinander gewesen. «
» Ich wünschte das ebenfalls. «
» Und jetzt ist es zu spät, nicht wahr? « Er blickt hoch.
» Nicht für alles. « Ich ziehe einen Stuhl vom Labortisch weg und setze mich darauf. » Lass uns Candor spielen. Ich werde eine Frage beantworten und dann bist du an der Reihe. Aber es muss eine ehrliche Antwort sein. «
Er wirkt ein wenig gereizt, spielt jedoch mit. » Okay. Was hattest du vor, als du die Gläser zerbrochen hast und danach so getan hast, als hättest du sie nur herausgenommen, um Wasserflecken abzuwischen? «
Ich verdrehe die Augen. » Also wirklich, Caleb, ausgerechnet auf diese Frage willst du eine ehrliche Antwort? «
» Okay, schön. « Er räuspert sich und sieht mich mit seinen grünen Augen ernst an. » Hast du mir wirklich verziehen oder behauptest du es nur, weil ich bald sterbe? «
Ich starre auf meine Hände in meinem Schoß. Ich habe es geschafft, nett und freundlich zu ihm zu sein, weil ich jeden Gedanken an das, was im Hauptquartier der Ken passiert ist, verdränge. Aber Vergebung ist das nicht – wenn ich ihm vergeben hätte, könnte ich an diese Ereignisse ohne diesen Hass denken, den ich jedes Mal in den Eingeweiden verspüre, oder nicht?
Aber vielleicht ist Vergebung nur die ständige Verdrängung bitterer Erinnerungen, bis die Zeit den Schmerz und den Zorn abstumpft und das Unrecht vergessen ist.
Um Calebs willen glaube ich an Letzteres.
» Ja, das habe ich « , antworte ich zögernd. » Zumindest wünsche ich es mir verzweifelt, und ich denke, das läuft auf das Gleiche hinaus. «
Er wirkt erleichtert. Ich trete beiseite, damit er meinen Platz auf dem Stuhl einnehmen kann. Ich weiß, was ich ihn fragen will, was ich schon immer fragen wollte, seit er sich bereit erklärt hat, dieses Opfer zu bringen.
» Warum tust du das? « , frage ich. » Was ist der eigentlich Grund dafür? «
» Frag mich das nicht, Beatrice. «
» Es ist keine Falle « , versichere ich ihm. » Das wird an meiner Vergebung nichts ändern. Ich muss es einfach wissen. «
Zwischen uns liegen der Schutzanzug, der Sprengstoff und der Rucksack, arrangiert in einer geraden Linie auf Edelstahl. Es sind die Instrumente seines Abschieds ohne Wiederkehr.
» Ich schätze, es ist für mich die einzige Möglichkeit, wie ich den Gewissensbissen entkommen kann. Wegen all der Dinge, die ich getan habe « , sagt er. » Noch nie habe ich mir etwas sehnlicher gewünscht. «
Seine Worte tun weh. Ich hatte Angst, dass er genau das sagen würde. Ich wusste die ganze Zeit, dass er es sagen würde. Ich wünschte, er hätte es nicht getan.
Eine Stimme dringt durch die Gegensprechanlage in der Ecke. » Achtung, an alle Geländebewohner. Beginn der Notfall-Lockdown-Prozedur exakt fünf Uhr. Ich wiederhole, Beginn der Lockdown-Prozedur exakt fünf Uhr. «
Caleb und ich sehen uns entsetzt an. Matthew reißt die Tür auf.
» Scheiße « , sagt er. Und dann lauter: » Scheiße! «
» Notfall-Lockdown? « , wiederhole ich. » Ist das das Gleiche wie eine Notfallübung? «
» Im Prinzip ja. Es bedeutet, dass wir jetzt gehen müssen, während in den Fluren noch Chaos herrscht und bevor sie die Security erhöhen « , erklärt Matthew.
» Warum sollten sie das tun? « , erkundigt sich Caleb.
» Könnte sein, dass sie die Security erhöhen wollen, bevor sie die Viren freisetzen « , erklärt uns Matthew. » Oder sie sind dahintergekommen, dass wir etwas geplant haben – aber dann wären sie wahrscheinlich längst gekommen, um uns zu verhaften. «
Ich sehe Caleb an. Die Minuten, die mir mit ihm noch bleiben, fallen wie tote Blätter von den Ästen.
Ich durchquere den Raum und hole unsere Waffen, aber Tobias’ Worte von gestern lassen mich nicht los – dass die Altruan sagen, man solle jemandem nur dann erlauben, sich zu opfern, wenn es das größte Zeichen seiner Liebe sei.
Und bei Caleb ist es das nicht.
4 6 . Kapitel
Tobias
Meine Füße rutschen auf dem verschneiten Pflaster aus.
» Du hast dich gestern nicht selbst geimpft « , sage ich zu Peter.
» Nein, habe ich nicht « , gibt er zu.
» Warum
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