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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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unsere Familie. Nicht alle Altruan sind religiös, aber mein Vater mahnt uns, wir sollten diese Unterschiede nicht beachten– sie würden uns nur voneinander trennen. Ob und was ich glauben soll, weiß ich nicht.
    » So«, sagt meine Mutter zu meinem Vater. » Jetzt erzähl es mir.« Sie nimmt die Hand meines Vaters und massiert mit dem Daumen seine Fingerknöchel. Ich starre auf ihre verschränkten Finger. Meine Eltern lieben sich, aber sie zeigen ihre Zuneigung nur selten vor uns. Sie haben uns gelehrt, dass körperlicher Kontakt sehr machtvoll sein kann, deshalb vermeide ich Berührungen, so gut es geht.
    » Sag mir, was dich beunruhigt«, fordert sie ihn auf.
    Ich starre auf meinen Teller. Das untrügliche Gespür meiner Mutter überrascht mich oft, aber diesmal versetzt es mir einen Stich. Ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich die gefurchte Stirn meines Vaters und seine niedergeschlagene Haltung gar nicht bemerkt habe.
    » Ich hatte einen harten Tag«, seufzt er. » Nun ja, eigentlich war es Marcus, der einen harten Tag hatte. Ich habe kein Recht, das von mir zu behaupten.«
    Marcus arbeitet mit meinem Vater zusammen; sie gehören beide zu den politischen Anführern. Die Stadt wird von einem Rat regiert, der aus fünfzig Leuten besteht, es sind ausschließlich Altruan, denn unsere Fraktion gilt als unbestechlich. Die Ratsvorsteher werden aufgrund ihres unbescholtenen Charakters, ihrer sittlichen Standhaftigkeit und ihrer Führungsstärke ausgewählt. Zu Themen, die sie betreffen, können sich in den politischen Versammlungen natürlich auch Mitglieder anderer Fraktionen zu Wort melden, aber die letzte Entscheidung trifft stets der Rat. Beschlüsse werden in der Regel einvernehmlich und gleichberechtigt gefällt, aber unter den Ratsführern gilt Marcus als besonders einflussreich.
    So ist es seit dem Großen Frieden, in dessen Folge sich die Fraktionen gebildet haben. Meiner Ansicht nach funktioniert dieses System nur deshalb so gut, weil wir Angst vor dem haben, was uns drohen würde, wenn es dieses System nicht gäbe– nämlich Krieg.
    » Geht es um den Bericht, den Jeanine Matthews verfasst hat?«, fragt meine Mutter. Jeanine Matthews ist in den Versammlungen die einzige Vertreterin der Ken, sie wurde wegen ihres besonders hohen Intelligenzquotienten ausgewählt. Mein Vater beschwert sich oft über sie.
    Ich schaue auf. » Ein Bericht?«
    Caleb wirft mir einen warnenden Blick zu. Wir dürfen beim Essen nicht sprechen, es sei denn, unsere Eltern stellen uns eine Frage, und das tun sie für gewöhnlich nicht. Zuzuhören sei unser Geschenk an die Eltern, sagt mein Vater. Und nach dem Essen, im Familienzimmer, hören sie dann uns zu.
    » Ja«, erwidert mein Vater. Seine Augen werden schmal. » Diese herrische, selbstgerechte…« Er hält inne und räuspert sich. » Tut mir leid. Aber sie hat doch tatsächlich einen Bericht geschrieben, in dem sie Marcus persönlich angreift.«
    » Was wirft sie ihm denn vor?«, platzt es aus mir heraus.
    » Beatrice«, sagt Caleb ruhig.
    Ich ziehe den Kopf ein und rühre mit der Gabel in meinen Erbsen, bis meine Wangen nicht mehr glühen. Ich mag es nicht, wenn man mich rügt. Besonders dann nicht, wenn die Rüge von meinem Bruder kommt.
    Zu meiner Überraschung beantwortet Vater meine Frage. » In dem Bericht steht, dass seine Gewalttätigkeit und Grausamkeit der Grund dafür gewesen seien, dass sein Sohn zu den Ferox gewechselt ist, statt bei den Altruan zu bleiben.«
    Nur wenige, die von den Altruan abstammen, verlassen diese Fraktion. Diejenigen, die es dennoch tun, bleiben uns für immer im Gedächtnis. Vor zwei Jahren hat Marcus’ Sohn Tobias uns verlassen und sich den Ferox angeschlossen. Marcus war niedergeschmettert. Tobias war sein einziges Kind, ja seine einzige Familie, denn seine Frau war bei der Geburt des zweiten Kindes gestorben und der Säugling nur wenige Minuten später.
    Ich bin diesem Tobias nie begegnet. Er hat nur selten an Gemeinschaftsveranstaltungen teilgenommen, und wenn Marcus zu uns zum Essen kam, war er auch nie dabei. Mein Vater hat sich oft darüber gewundert, aber jetzt spielt es keine Rolle mehr.
    » Marcus? Grausam?«, wiederholt meine Mutter kopfschüttelnd. » Der arme Mann. Muss man ihn auch noch ständig an seinen schlimmen Verlust erinnern?«
    » Du meinst an den Verrat seines Sohnes?«, stellt mein Vater in kaltem Ton richtig. » Aber eigentlich ist das keine große Überraschung. Schon seit Monaten bereiten uns die Ken

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