Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
Magen rebelliert, als ich über die kurze Metallrinne rutsche und dann über Rollen gleite, die mir lauter kleine Stöße versetzen.
Es riecht nach Feuer und Asche, aber es ist nicht heiß. Plötzlich falle ich in die Tiefe, mein Arm schrammt gegen eine Eisenwand, und dann schlage ich hart auf einem Zementfußboden auf. Der Aufprall ist so heftig, dass mir beide Schienbeine wehtun.
» Aua!« Ich humple von der Öffnung weg. » Der Nächste!«, rufe ich nach oben.
Als Peter landet, auf der Seite statt auf den Füßen, haben sich meine Beine bereits wieder erholt. Er stöhnt auf und schleppt sich von der Öffnung weg.
Ich sehe mich um. Wir sind im Inneren der Müllverbrennungsanlage. Es ist völlig dunkel bis auf schmale Lichtstreifen, die die Umrisse einer kleinen Tür erkennen lassen.
Der Boden besteht an einigen Stellen aus massivem Metall, an anderen aus Eisenrosten. Überall riecht es nach verfaulendem Müll und Feuer.
» Sag nicht, ich hätte dir nicht die schönsten Plätze hier gezeigt«, sagt Peter.
» Auf die Idee wäre ich im Traum nicht gekommen«, erwidere ich.
Tobias rutscht herunter, er kommt auf den Füßen auf, dann fällt er auf die Knie und stöhnt. Ich ziehe ihn hoch und schmiege mich an ihn. Alles hier auf dieser Welt kommt mir jetzt viel größer und intensiver vor. Ich war fast tot und jetzt lebe ich. Und das habe ich Peter zu verdanken.
Ausgerechnet Peter.
Peter steigt über den Rost und öffnet die kleine Tür. Licht fällt in die Verbrennungsanlage. Tobias führt mich weg von dem Brandgeruch, weg von dem Metallofen in den Schutzraum aus Zementmauern, der die Verbrennungsanlage umgibt.
» Hast du die Waffe?«, fragt Peter Tobias.
» Nein«, sagt Tobias, » ich dachte mir, wir könnten die Kugeln auch mit bloßen Händen auf unsere Angreifer schleudern, also habe ich sie oben gelassen.«
» Ach, halt die Klappe.«
Peter hat noch eine andere Pistole dabei; er packt sie mit beiden Händen und verlässt als Erster die Anlage. Wir gelangen in einen feuchten Gang, an dessen Decke freiliegende Rohre verlaufen. Er ist nur ein paar Schritte lang und führt zu einer Tür mit einem Schild, auf dem AUSGANG steht. Ich lebe und werde jetzt von hier verschwinden.
Auf dem Rückweg kommt mir die Gegend zwischen dem Hauptquartier der Ferox und dem Hauptquartier der Ken ganz verändert vor. Aber vermutlich sieht alles anders aus, wenn man nicht gerade dem eigenen Tod entgegen rennt.
Als wir am Ende der Straße angelangt sind, stützt Tobias sich mit der Schulter an einer Mauer ab und beugt sich gerade so weit vor, dass er um die Ecke spähen kann. Mit unbewegtem Gesicht streckt er den Arm aus, stützt ihn an der Wand ab und schießt zweimal. Ich halte mir die Ohren zu und versuche die Schüsse und das, woran sie mich erinnern, zu ignorieren.
» Beeilt euch«, sagt Tobias.
Wir rennen los, die Wabash Avenue entlang, zuerst Peter, dann ich, als Letzter Tobias. Ich drehe mich um, weil ich sehen will, worauf Tobias geschossen hat. Zwei Männer befinden sich direkt am Hauptquartier der Ken. Einer bewegt sich nicht mehr, der andere hält sich den Arm und läuft zum Eingang. Er wird uns die anderen auf den Hals hetzen.
In meinem Kopf ist ein einziges Durcheinander, wahrscheinlich ist die Erschöpfung daran schuld, aber das Adrenalin in meinen Adern lässt mich weiterlaufen.
» Nimm den größten Umweg!«, ruft Tobias.
» Wie?«, fragt Peter.
» Nimm den größten Umweg« wiederholt Tobias. » Damit rechnen sie nicht!«
Peter schwenkt nach links und schlägt einen anderen Weg ein. Die Gasse ist voller Kartons, in denen sich ausgefranste Decken und fleckige Kissen befinden– vermutlich haben sie früher den Fraktionslosen als Behausungen gedient. Peter springt über eine Kiste hinweg, aber ich trete in vollem Lauf darauf und gebe ihr einen Stoß.
Am Ende macht die Straße eine Biegung nach links, Richtung Sumpf. Wir sind jetzt wieder auf der Michigan Avenue. Vom Hauptquartier der Ken hat man einen guten Blick darauf, vorausgesetzt man macht sich die Mühe, die Straße zu beobachten.
» Keine gute Idee!«, rufe ich.
Peter nimmt die nächste Querstraße links. Wenigstens sind hier alle Straßen geräumt– keine umgefallenen Verkehrszeichen, über die man stolpert, keine Schlaglöcher, über die man springen muss. Meine Lungen brennen, als hätte ich Gift eingeatmet. Meine Beine, die anfangs noch höllisch wehgetan haben, sind jetzt völlig taub, was mir lieber ist. Irgendwo in der Ferne höre ich
Weitere Kostenlose Bücher