Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
Lastwagen hinter einem der Schlafsäle. Erst jetzt fällt mir auf, dass kein Schlüssel in der Zündung steckt.
» Wie hast du den Wagen zum Laufen gebracht?«, frage ich ihn.
» Mein Vater hat mir viel über Technik und Computer beigebracht«, sagt er. » Wissen, dass ich an meinen eigenen Sohn weitergegeben habe. Oder hast du etwa gedacht, er hätte sich das alles selbst beigebracht?«
» Eigentlich schon.« Ich stoße die Tür auf und klettere aus dem Wagen. Gras streift an meinen Zehen und Waden entlang. Christina steht neben mir und legt den Kopf in den Nacken. » Hier draußen wirkt alles so anders«, sagt sie. » Man könnte glatt vergessen, dass da drüben die Hölle los ist.« Sie zeigt mit dem Daumen auf die Stadt.
» Das tun sie hier auch gerne«, sage ich.
» Aber sie wissen, was jenseits der Stadt ist, oder?«, fragt sie.
» Sie wissen genauso viel wie die Patrouillen der Ferox«, sagt Marcus. » Und zwar, dass die Welt da draußen unbekannt und möglicherweise sehr gefährlich ist.«
» Woher weißt du, was sie wissen?«, frage ich.
» Weil es das ist, was wir ihnen gesagt haben«, erwidert er und eilt in Richtung Gewächshaus.
Christina und ich wechseln Blicke, dann verfallen wir in Laufschritt, um ihn wieder einzuholen.
» Was hat das jetzt wieder zu bedeuten?«
» Wenn einem etwas sehr Wichtiges anvertraut wird, dann muss man entscheiden, wie viel davon die anderen wissen sollen«, sagt Marcus. » Die Anführer der Altruan haben den Betreffenden so viel gesagt wie nötig. Jetzt hoffe ich nur, dass Johanna an ihren Gewohnheiten festhält. Am frühen Abend, so wie jetzt, ist sie meist im Gewächshaus anzutreffen.«
Er öffnet die Tür zum Gewächshaus. Die Luft ist genauso dick wie beim letzten Mal, aber jetzt ist es auch noch neblig. Die Feuchtigkeit kühlt meine Wangen.
» Wow«, sagt Christina.
Der Raum ist nur vom Mondlicht erleuchtet, sodass man die Pflanzen kaum von den Bäumen oder den technischen Konstruktionen dazwischen unterscheiden kann. Blätter streichen über mein Gesicht, als ich mich an der Innenwand entlang durch das Dickicht schlage. Und dann entdecke ich Johanna, wie sie mit einer Schüssel in der Hand neben einem Busch kauert und etwas pflückt, was ganz nach Himbeeren aussieht. Sie hat ihre Haare zurückgebunden, sodass einem die Narbe sofort ins Auge springt.
» Miss Prior. Ich muss zugeben, ich habe nicht mit einem Wiedersehen gerechnet«, sagt sie.
» Weil ich eigentlich längst tot sein sollte?«, frage ich.
» Ich gehe immer davon aus, dass diejenigen, die gerne kämpfen, auch im Kampf umkommen. Aber oft erlebe ich auch angenehme Überraschungen.« Sie balanciert die Schüssel auf ihren Knien und sieht zu mir hoch. » Allerdings ist mir auch klar, dass du wohl kaum hierhergekommen bist, weil es dir bei uns so gut gefallen hat.«
» Nein«, sage ich. » Wir sind aus einem anderen Grund hier.«
» Na gut«, sagt sie und steht auf. » Dann lasst uns darüber reden.«
Sie trägt die Schüssel in die Mitte des Raums, wo sonst die Vollversammlungen der Amite stattfinden. Wir folgen ihr zu den Baumwurzeln, auf die sie sich setzt, um mir dann die Schüssel mit Himbeeren anzubieten. Ich nehme eine Handvoll Beeren und reiche die Schüssel an Christina weiter.
» Johanna, das hier ist Christina«, sagt Marcus. » Geborene Candor, jetzt Ferox.«
» Willkommen im Hauptquartier der Amite, Christina.« Johanna lächelt wissend. Es ist kaum zu glauben, dass zwei Menschen, die beide von den Candor abstammen, so verschiedene Richtungen eingeschlagen haben– die eine zu den Ferox, die andere zu den Amite.
» Verrätst du mir den Grund eures Besuches, Marcus?«, fragt Johanna.
» Ich glaube, das sollte lieber Beatrice übernehmen«, sagt er. » Ich bin eigentlich nur der Chauffeur.«
Ohne weitere Fragen wendet Johanna sich mir zu und blickt mich an, aber der skeptische Ausdruck in ihren Augen spricht für sich. Sie hätte es lieber von Marcus gehört. Wenn ich sie darauf ansprechen würde, würde sie es natürlich abstreiten, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Johanna Reyes mich hasst.
» Ähm…«, setze ich an, was nicht gerade ein vielversprechender Anfang ist. Ich wische mir die Handflächen ab. » Die Lage sieht ziemlich schlecht aus.«
Dann sprudeln die Worte aus mir heraus, ohne Schliff, ohne Rhetorik. Ich erkläre, dass die Ferox sich mit den Fraktionslosen verbündet haben und dass sie vorhaben, die Ken auszulöschen, sodass nur noch eine der zwei
Weitere Kostenlose Bücher