Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
wichtigsten Fraktionen übrig bleiben würde. Ich sage ihr, dass die Ken in ihrem Hauptquartier wichtige Daten horten, die– genauso wie alles andere Wissen dieser Fraktion– nicht einfach so zerstört werden dürfen. Erst als ich geendet habe, fällt mir auf, dass ich kein Wort darüber verloren habe, was das Ganze eigentlich mit ihrer eigenen Fraktion zu tun hat. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich ihr das erklären kann.
» Ich bin ehrlich gesagt ziemlich verwirrt, Beatrice«, sagt sie. » Was genau wollt ihr von uns?«
» Ich bin nicht hier, weil ich dich um Hilfe bitten will«, sage ich. » Ich dachte nur, dass ihr wissen solltet, dass ziemlich bald ziemlich viele Leute sterben werden. Und ich weiß, dass du nicht einfach hier bleiben und zusehen willst, auch wenn manche aus deiner Fraktion genau das am liebsten tun würden.«
Sie blickt zu Boden und verzieht den Mund. Ihre Reaktion spricht Bände. Sie weiß, dass ich recht habe.
» Außerdem wollte ich dich fragen, ob wir mit den Ken, die ihr aufgenommen habt, sprechen können.«, sage ich. » Ich weiß, sie halten sich versteckt, aber ich brauche sie.«
» Und was hast du mit ihnen vor?«, fragt sie.
» Sie alle abknallen, natürlich«, erwidere ich und verdrehe die Augen.
» Das ist nicht lustig.«
Ich seufze. » Tut mir leid. Ich will nur ein paar Dinge von ihnen wissen. Weiter nichts«
» Na gut, aber du musst dich wohl oder übel bis morgen gedulden«, sagt Johanna. » Ihr könnt hier übernachten.«
Im selben Moment, in dem mein Kopf auf das Kissen sinkt, bin ich auch schon eingeschlafen. Allerdings wache ich viel früher auf, als ich wollte. Das schwache Leuchten am Horizont sagt mir, dass die Sonne bald aufgehen wird.
Auf der anderen Seite des schmalen Gangs zwischen den beiden Betten liegt Christina. Sie hat das Gesicht in der Matratze vergraben und sich das Kissen über den Kopf gezogen. Zwischen uns steht eine Kommode mit einer Lampe darauf. Die Holzdielen knarzen bei jeder Bewegung. An der linken Wand hängt wie selbstverständlich ein Spiegel. Für alle sind Spiegel an der Wand das Normalste der Welt, nur nicht für die Altruan. Ich erschrecke immer noch jedes Mal, wenn ich irgendwo auf einen Spiegel stoße.
Ich ziehe mich an, ohne dabei besonders leise zu sein– fünfhundert trampelnde Ferox können Christina nicht aufwecken, wenn sie erst mal im Tiefschlaf versunken ist. Das Flüstern eines einzigen Ken könnte sie jedoch abrupt aus dem Schlaf reißen. Was das angeht, ist sie manchmal seltsam.
Ich gehe nach draußen, gerade als die Sonne zwischen den Baumstämmen hervorblitzt. Eine kleine Gruppe Amite hat sich in der Nähe der Obstplantage versammelt. Was sie dort wohl machen? Ich gehe etwas näher heran.
Sie halten sich an den Händen und stehen in einem Kreis. Die Hälfte ist noch ziemlich jung, gerade mal Teenager, die anderen sind Erwachsene. Die älteste, eine Frau mit geflochtenem grauem Haar, ergreift das Wort.
» Wir glauben an einen Gott, der unseren Frieden stiftet und erhält«, sagt sie. » Also schenken auch wir uns gegenseitig Frieden und erhalten ihn unter uns.«
Für die Amite scheinen diese Worte eine Art Signal zu sein, auch wenn ich es selbst nicht so interpretiert hätte. Alle setzen sich in Bewegung, gehen auf jemanden im Kreis zu und reichen sich die Hände. Als alle sich zu Paaren zusammengefunden haben, halten sie für einige Sekunden inne und blicken sich an. Einige murmeln ein paar Worte, andere lächeln, wieder andere stehen einfach da, ohne sich zu rühren oder ein Wort zu sagen. Dann trennen sie sich wieder, gehen auf jemand anderen zu und wiederholen das Ganze.
Das ist das erste Mal, dass ich eine religiöse Feier der Amite beobachte. Bis jetzt kannte ich nur die Religion meiner Eltern, den Glauben meiner früheren Fraktion. Ein Teil von mir klammert sich immer noch an diesen Glauben und ein anderer Teil findet ihn nur noch lächerlich– die Gebete vor dem Abendessen, die wöchentlichen Zusammenkünfte, die Gottesdienste, die Gedichte über einen selbstlosen Gott. Aber das hier ist etwas anderes, etwas viel Geheimnisvolleres.
» Komm her und mach mit«, sagt die grauhaarige Frau. Erst nach einigen Sekunden wird mir klar, dass die Worte an mich gerichtet sind. Sie winkt mich lächelnd zu sich.
» Oh, nein«, sage ich. » Ich bin nur –«
» Komm«, wiederholt sie, und ich habe das Gefühl, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als hinzugehen und mich zu den anderen zu stellen.
Sie kommt zu
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