Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
nicht versprochen hätte, dass sie frei über sämtliche Daten der Ken verfügen dürften, hätte er damit vielleicht sogar recht. Aber so hat er mir keine Wahl gelassen. Ich muss Marcus helfen. Ich muss mich gegen die Menschen stellen, die mir am meisten bedeuten.
Der Moment ist gekommen, ich muss lügen.
Ich verschränke meine Finger.
» Was ist los?«, fragt er.
» Ich kann noch immer keine Pistole in der Hand halten.« Ich sehe ihn fest an. » Und nach allem, was im Hauptquartier der Ken passiert ist…« Ich räuspere mich. » Sich in lebensgefährliche Aktionen zu stürzen ist für mich nicht mehr ganz so verlockend.«
» Tris.« Er fährt mit den Fingerspitzen über meine Wange. » Du musst nicht mitkommen.«
» Ich will nicht als Feigling dastehen.«
» Hey.« Er berührt mein Kinn, seine Finger fühlen sich kühl an und sein Blick ist ernst. » Du hast mehr für diese Fraktion getan als irgendjemand sonst. Du…«
Mit einem Seufzen schmiegt er seine Stirn an meine.
» Du bist die mutigste Person, die ich kenne. Bleib hier. Komm erst mal zu Kräften.«
Er küsst mich, und ich habe erneut das Gefühl, dass mein Innerstes zerbricht. Er glaubt, dass ich hier sein werde, stattdessen werde ich gegen ihn arbeiten, zusammen mit seinem Vater, den er abgrundtief hasst. Diese Lüge– diese Lüge ist die schlimmste, die ich je über die Lippen gebracht habe. Ich werde sie nie mehr zurücknehmen können.
Als wir uns voneinander lösen, habe ich Angst, dass mich meine zittrigen Atemzüge verraten könnten, also drehe ich mich zum Fenster.
39. Kapitel
» Yeah! Du siehst total aus wie ein Banjo zupfender Softie«, sagt Christina.
» Tatsächlich?«
» Nein. Nicht die Bohne. Also gut, lass mich mal ran, okay?«
Sie kramt kurz in ihrer Tasche und bringt eine kleine Schachtel zum Vorschein. Darin sind unterschiedlich große Tuben und Döschen mit etwas, was ich zwar ungefähr als Make-up identifizieren kann, mit dem ich aber rein gar nichts anzufangen wüsste.
Wir sind im Haus meiner Eltern. Mir ist kein anderer Ort eingefallen, an dem wir uns ungestört vorbereiten können. Christina hat keine Bedenken, hier herumzustöbern– sie hat schon zwei Lehrbücher aus der Ritze zwischen der Kommode und der Wand hervorgezogen– eindeutige Hinweise auf Calebs Ken-Veranlagung.
» Also verstehe ich das jetzt richtig? Du hast das Hauptquartier der Ferox verlassen, um in den Krieg zu ziehen– und hast dein Schminktäschchen mitgenommen?«
» Jep. Dachte, manche Leute würden es sich vielleicht zweimal überlegen, ob sie mich totschießen, wenn sie sehen, wie umwerfend attraktiv ich bin«, sagt sie und zieht belustigt die Brauen hoch. » Halt mal still.«
Sie nimmt ein schwarzes Röhrchen von der Größe eines Fingers und zieht den Deckel ab. Eine rote Spitze kommt zum Vorschein– offensichtlich ein Lippenstift. Sie streicht und tupft damit über meine Lippen, bis sie voller Farbe sind. Ich kann es sehen, wenn ich die Lippen schürze.
» Hast du schon jemals von einem Zaubertrick namens Augenbrauenzupfen gehört?«, fragt sie, während sie mit einer Pinzette vor mir herumfuchtelt.
» Komm mir damit bloß nicht zu nahe.«
» Na gut.« Sie seufzt. » Ich hätte auch noch etwas Rouge anzubieten, aber ich glaube, die Farbe steht dir nicht.«
» Wahnsinn… und das, wo wir doch fast denselben Hautton haben!«
» Ha-ha«, sagt sie.
Als wir aus dem Haus treten, habe ich rote Lippen und geschwungene Wimpern und trage ein knallrotes Kleid. Und knapp über dem Knie habe ich ein Messer an meinem Bein befestigt. Das alles ist einfach nur verrückt.
» Wo wollen wir Marcus, den Vernichter allen Lebens, eigentlich treffen?«, fragt Christina. Sie trägt nicht Rot, sondern Amite-Gelb. Es leuchtet hell auf ihrer Haut.
Ich muss lachen. » Hinter dem Hauptquartier der Altruan.«
Wir laufen in der Dunkelheit den Gehsteig entlang. Alle anderen sitzen im Moment beim Abendessen– davon habe ich mich vorsichtshalber überzeugt–, aber für den Fall, dass wir doch jemandem über den Weg laufen sollten, haben wir dunkle Jacken über unsre Amite-Kleider gezogen. Aus reiner Gewohnheit springe ich über einen Riss im Asphalt.
» Wohin seid ihr beide denn unterwegs?« Peter. Ich werfe einen Blick über die Schulter. Er steht hinter uns auf dem Gehweg. Ich frage mich, wie lange er da schon wartet.
» Warum bist du nicht mit deinem Angriffstrupp beim Abendessen?«, frage ich.
» Ich habe keinen Angriffstrupp.« Er deutet auf den
Weitere Kostenlose Bücher