Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
noch nicht wie die Amite gekleidet sind, schleunigst in die Schlafräume gehen«, sagte Marcus. » Und die anderen– tragt die Haare offen und versucht, euch so zu verhalten wie Amite.«
Die grau gekleideten Altruan verlassen gemeinsam die Speisehalle und eilen quer über den Hof zu den Gästehäusern. Sobald sie verschwunden sind, laufe ich in mein Zimmer, fahre mit der Hand unter die Matratze und suche nach der Waffe.
Ich taste ein paar Sekunden herum, bevor ich sie spüre. Als ich sie gefunden habe, ist meine Kehle wie zugeschnürt und ich kann nicht mehr schlucken. Ich will die Pistole nicht anfassen. Ich will diese Waffe nie wieder anfassen.
Komm schon, Tris. Ich stecke die Waffe in den Bund meiner roten Hose. Zum Glück ist sie weit und schlabbrig. Mein Blick fällt auf die Tube mit der Heilsalbe und das Schmerzmittel auf meinem Nachttisch und ich stecke sie in meine Tasche, nur für den Fall, dass uns die Flucht gelingt.
Dann greife ich hinter die Kommode, wo die Festplatte versteckt ist. Wenn wir den Ken in die Hände fallen – was wahrscheinlich ist –, dann werden sie uns durchsuchen, und ich habe keine Lust, ihnen den Simulationsangriff einfach so zu überlassen.
Aber auf dieser Festplatte befinden sich auch die Bilder, die die Überwachungskamera während der Attacke aufgenommen hat. Die Aufzeichnungen von den Verlusten, die wir erlitten haben. Vom Tod meiner Eltern. Das Einzige, was mir von ihnen geblieben ist. Und weil die Altruan keine Fotos machen, ist auch nur auf dieser Festplatte ihr Aussehen festgehalten.
Wenn in vielen Jahren meine Erinnerungen einmal verblassen, wie soll ich mir dann ihr Aussehen in Erinnerung rufen? Ihre Gesichter werden sich in meiner Vorstellung mit der Zeit verändern. Ich werde sie niemals wiedersehen.
Stell dich nicht so an. Das ist doch jetzt nicht wichtig.
Ich kralle meine Finger so hart um die Festplatte, dass es wehtut.
Und warum fühlt es sich dann so wichtig an?
» Stell dich nicht so an«, sage ich laut. Ich beiße die Zähne zusammen und nehme die Lampe vom Nachttisch. Ich reiße den Stecker aus der Steckdose und werfe den Lampenschirm aufs Bett. Dann beuge ich mich über die Festplatte. Ich blinzle die Tränen weg und schlage mit dem Fuß der Lampe eine Delle hinein.
Ich hole mit der Lampe aus, wieder und wieder und wieder, bis das Gehäuse der Festplatte bricht und sämtliche Einzelteile über den Boden spritzen. Dann schiebe ich die Trümmer mit dem Fuß unter die Kommode, wische mir mit dem Handrücken über die Augen und renne hinaus.
Ein paar Minuten später strömt eine kleine Gruppe grau gekleideter Männer und Frauen– unter ihnen Peter– im Gang zusammen und wühlt in einem Kleiderstapel.
» Tris«, sagt Caleb, » du trägst immer noch Grau.«
Ich zupfe am Hemd meines Vaters und zögere.
» Das ist von Dad«, sage ich. Wenn ich es jetzt ausziehe, muss ich es hier zurücklassen. Ich beiße mir auf die Lippe, damit mich der Schmerz wieder zur Besinnung bringt. Ich muss es loswerden. Es ist nur ein Hemd. Mehr nicht.
» Ich ziehe es unter meinem an«, sagt Caleb. » Das merken sie nie.«
Ich nicke und nehme ein rotes T-Shirt aus dem schrumpfenden Stapel. Es ist weit genug, um die Waffe darunter zu verstecken. Ich ziehe mich in einen angrenzenden Raum zurück und wechsle die Kleidung. Als ich wieder in den Gang zurückkomme, reiche ich Caleb das graue Hemd. Hinter einer Tür, die weit offen steht, sehe ich Tobias, wie er Kleidungsstücke der Altruan in den Mülleimer stopft.
» Denkst du, die Amite werden für uns lügen?«, frage ich ihn und lehne mich in den offenen Türrahmen.
» Wenn sie damit einen Konflikt vermeiden können?« Tobias nickt. » Ganz sicher.«
Er trägt ein Shirt mit rotem Kragen und Jeans, die am Knie ausgefranst sind. Es sieht einfach lächerlich aus an ihm.
» Nettes Hemd«, sage ich.
Er rümpft die Nase. » Das war das Einzige, was mein Nacken-Tattoo verdeckt hat, okay?«
Ich lächle nervös. An meine Tattoos habe ich gar nicht gedacht, aber mein T-Shirt verdeckt sie ziemlich gut.
Die Autos der Ken biegen gerade auf das Gelände ein. Es sind fünf, alle silbrig glänzend mit schwarzen Dächern. Ihre Motoren surren nur leise, während die Räder über den unebenen Boden holpern. Ich schlüpfe ins Haus und lasse die Tür hinter mir offen. Tobias macht sich noch am Verschluss der Abfalltonne zu schaffen.
Die Wagen halten an, die Türen fliegen auf und mindestens fünf Leute im Blau der Ken, Männer und
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