Die Bestimmung
hielt sie die Nasenlöcher in den Wind und schnupperte.
«Die Beute ist hier», klackerte sie. «Warten wir auf die Spur, die uns der verwundete Wolf weisen wird!»
Die Kreatur legte den Kopf schräg und schnupperte weiter in den warmen Hamburger Nachtwind. Es würde bald regnen. Schlecht für die Spur.
«Schon bald wird Blut vergossen werden. Fianna-Blut!»
Feinde
Liran schien in Gedanken weit entfernt zu sein. Es sah aus, als würde er sich für irgendetwas schämen. Der Krieger saß da und blickte in die Flamme. Nilah starrte ihn an, wusste nicht, was sie tun oder sagen sollte und ihr Vater, der eben erst gekommen war, schaute ebenso hilflos drein.
Nilah hatte ihn abgefangen und ihm in groben Zügen geschildert, was passiert war, seit Liran wortlos wieder hereingekommen war und sich frierend und zitternd auf das Sofa gesetzt hatte. Sie hatte erneut die Kerzen entzündet, weil sie dachte, damit die Leere füllen zu können, die plötzlich jeden Kubikzentimeter der Luft einnahm und sich verbreitete wie flüssiges Blei. Nilah hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Etwas, das den Schmerz und den Verlust mindern konnte, aber da war nichts, was ihr über die Lippen kommen wollte. Je länger Liran in die Flammen starrte, desto mehr Angst bekam sie. Angst davor, was der Wolf gesagt haben könnte. Der Tod, selbst wenn es ein magischer Teil von ihm war, schien ihn schwer getroffen zu haben.
Unendlich mühsam hob er endlich den Kopf. Die Kerzenflammen schimmerten in seinen blauen Augen. Er rang mit seiner Stimme. Nilah starrte ihn wartend an, ihr Vater blickte gedankenversunken auf seine gefalteten Hände. Jeder wusste, es würden keine guten Nachrichten sein.
Als er sprach, konnte man seine Worte kaum hören. «Wir müssen von hier fort!», sagte er knapp.
Keiner wagte, etwas zu antworten oder eine Frage zu stellen.
«Zwei Schiffe mit Jägern sind unterwegs, sie werden bald hier sein.»
«Wer wird bald hier sein?», wollte Nilah wissen.
«Man nennt sie Schmerzbringer . Ihad, der Wolf, ... er war an Bord eines der Schiffe. Mindestens vierzig, bis an die Zähne bewaffnet.»
Nilah musste einfach fragen: « Schmerzbringer ?»
Liran schien sich ein wenig zu fangen, jetzt, da er es ausgesprochen hatte. Sein Kopf schien bereits Strategien zu entwickeln, Fluchtwege zu planen. Wie schnell er sich doch änderte.
«Sie sind für die Jagd», spie er voller Abscheu aus. «Und nicht nur das. Sie verfolgen alles, spüren jeden auf, wittern Angst. Sie laufen schneller, länger, werden kaum müde. Sie lieben es, zu verletzen. Denn das ist ihre Aufgabe. Sie markieren ihre Beute – mit Schmerz. Sie lassen sie leiden und weiterlaufen, damit die Opfer sie dahin führen können, wo sich Verwundete meistens hinbegeben.» Liran seufzte. «Dort, wo sie sich wirklich sicher fühlen und sich auskennen », flüsterte er.
«Grundgütiger», hauchte ihr Vater. Sein Blick verriet, dass er eigentlich noch etwas hinzufügen wollte, wie: Das hast Du wohl vergessen mir zu sagen, Du Mistkerl!
«Sie folgen den Spuren. Jenen, die unwiederbringlich dahin gehen, um die anderen zu warnen. Das ist ihre Aufgabe. Wenn sie den Befehl dazu haben, töten sie auch einfach nur, auch wenn es ihnen weniger Spaß macht. Jäger eben.»
Jeder schwieg, hing düsteren Gedanken nach. Und über allem schwebte noch mehr.
«Das ist nicht alles!», sagte Liran und drehte sich zu den beiden um. «Die Schmerzbringer sind nur die Vorhut. Die, die ihnen folgen, sind das Problem.»
Nilah musste schlucken. Was kam denn jetzt noch?
«A´kir Sunabru hat einst einen heiligen Hain entdeckt. Und daraus hat er Wesen erschaffen, die ihm bis in den Tod folgen werden. Mit seinen eigenen Händen schlug er den Bäumen zuerst die Äste herunter und schuf damit die eitlen Schmerzbringer . Die entblößten Stämme verbrannte er. Sie sind seine wahre Macht. Man nennt sie Blutbäume , denn er gab ihnen etwas von seinem. Mächtige alte Bäume, die nur noch aus Zorn und Hitze bestehen, denen Sunabru das Feuer bis in die tiefsten Wurzeln trieb, geformt zu Ungetümen. Sie sind so gut wie unbesiegbar.»
Nilah sah dem Krieger an, dass er wusste, wovon er sprach. Er hatte bereits gegen diese Blutbäume gekämpft, das merkte sie an seinen Zügen, die sich unmerklich angespannt hatten, als er ihren Namen genannt hatte. Das einzig Tröstliche daran war, dass er diese Begegnungen ganz offenbar überlebt hatte. Ein sehr kleiner Funken Hoffnung in einem Meer aus Furcht. Doch da hatte er
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