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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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… kaum erkannt, schon Erinnerung und dann nur noch Nebel!», schloss Nilah den Satz.
    Der Krieger nickte.
    «Doch je öfter Du ihr begegnest, desto mehr verschmilzt Du mit ihr!»
    Er schwieg.
    «Ich habe diesen Sunabru schon gesehen, oder?»
    «Ja, aber seine Magie ist wie verdunkelt, denn er will nicht, dass man sich an ihn erinnert, so bleibt er immer im Vorteil. Selbst mir fällt das schwer.»
    «Kann man ihn besiegen?»
    «Ja, einmal gelang es!»
    «Wer hat denn das geschafft?»
    «Ich!»
    Sie nippte an ihrem Tee, bezahlte wie in Trance. Dann gingen sie schweigend zur U-Bahn Station, zogen zwei Karten, gingen die lange Treppe hinauf und stellten sich zu den anderen Wartenden, die alle irgendwo hinsahen, nur um niemanden anderen ansehen zu müssen.
    Den kleinen, unschuldig aussehenden Jungen am Ende des Bahnsteigs bemerkten sie nicht. Zwischen zwei Erwachsenen und deren Tüten tragenden Armen stand er da und starrte sie an. Dass der kleine Kerl schon im Kaufhaus hinter ihnen auf der Rolltreppe gestanden hatte, hatten sie ebenfalls nicht bemerkt.
     
    «Darf ich Dich nun etwas fragen?» Der mit Karton und Noppenfolie verpackte Langbogen, den er fest in der Hand hielt, stand neben Liran, die kleinere Tüte mit den Pfeilen klemmte zwischen seinen Beinen. Nilah machte eine einladende Geste.
    «Was oder wer ist dieses Christus ?»
    Nilah hatte es geahnt. Zweimal, oder waren es mehr gewesen, hatte sie diesen historischen Ausdruck benutzt, um dem Krieger klarzumachen, dass er nicht mehr in seiner eigenen Zeit war, sondern in einer gänzlich anderen. Jetzt kam sie ins Wanken. Sie war weder bibelfest noch hatte sie sich jemals für Religionen sonderlich interessiert. Ihre Meinung zu all dem war, dass sie keine Meinung dazu hatte. Nicht sehr hilfreich, wie sie nun feststellte.
    «Also, es gibt jetzt nur noch einen Gott. Damit meine ich, dass verschiedene Menschen zwar an verschiedene Götter glauben, aber eben nur noch an einen ... bei den Hindus bin ich mir nicht sicher, ich glaube, die haben mehrere ... aber egal. Es gibt die Christen, die glauben an Gott und seinen Sohn Jesus Christus, es gibt die Moslems, die glauben an Allah und seinen Propheten Mohammed, es gibt die Juden, die ... keine Ahnung, es gibt die Buddhisten, die an Buddha glauben, und dann noch ein paar vielfache Verzweigungen rundherum. Also, ich denke, ich bin bei diesem Thema ein schlechter Ansprechpartner. Ich steige da auch nicht so richtig durch.»
    «Du weißt nicht einmal, wer Deine Götter sind?» Liran klang weder empört noch vorwurfsvoll, sondern eher überrascht.
    «Nicht so richtig», gab Nilah zähneknirschend zu. «Aber wir schlagen uns ziemlich effektiv und sehr engagiert die Köpfe deswegen ein. Nach dem Motto: Wer am Ende noch steht, hat Recht! Woran glaubst Du? Ich meine, was hast Du für Götter?»
    Eine Antwort darauf bekam sie nicht mehr, denn als die U-Bahn langsamer wurde und an der nächsten Station anhielt, stiegen ein paar sehr beängstigende Typen ein, und Nilah merkte, wie Liran neben ihr wieder zum Krieger erwachte.
    Wie hatte sie das vergessen können? Heute war Samstag und heute war Heimspiel. Der HSV gegen wen auch immer. Sie hätten viel früher nach Hause fahren sollen. Das waren keine Fans, das waren die, die auf die dritte Halbzeit erpicht waren. Wenn so richtig die Fetzen flogen. Ihre Kampfkleidung bestand aus viel zu engen Jeans, weiten Kapuzenshirts und Springerstiefeln, in denen wahrscheinlich ein ganzes Arsenal an Hieb-und Stichwaffen steckte. Doch zum ersten Mal hatte Nilah keine Angst um sich selbst, sondern um all jene, die darum herumstanden oder saßen. Denn neben ihr war jemand, der die Seele einer Wölfin, eines Baumes und einer Eule in sich trug. Sie fühlte, wie sich der Körper des Kriegers anspannte und er seine potentiellen Gegner dabei abschätzte wie niedere Beute.
    Verzweifelt legte sie eine Hand auf seinen Schenkel und flüsterte durch ihre Zähne: «Bitte nicht! Nicht hier, nicht jetzt!»
    Liran aber tat nichts, sagte nichts, er starrte nur. Schwankend fuhr der Wagen weiter, während er den teuer gekauften Bogen in der Hand hielt. Nur noch vier Stationen, dann waren sie hier 'raus, aber Nilah konnte die Unruhe nicht vertreiben. Der Zug hielt an, die Türen öffneten sich zischend. Die vier Kerle amüsierten sich weiter über sich selbst, in dem sie sich gegenseitig zuprosteten und ganz genau wussten, dass sie allen anderen Angst einjagten. Allen, bis auf Liran.
    Nur noch drei Stationen. Bitte!
    An

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