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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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der nächsten Station stiegen auffallend viele Leute aus und recht wenige ein. Es gab einige, die lieber weitere zehn Minuten in Kauf nahmen, um auf die nächste Bahn zu warten, als sich zu diesen vier Gesellen zu stellen. Liran hatte mittlerweile ein süffisantes Lächeln im Gesicht, Nilah konnte sich keinen rechten Reim darauf machen.
    Nur noch zwei Stationen. Und dann passierte, was passieren musste. Es gab Ärger. Eine farbige Frau bugsierte mühevoll ihren Kinderwagen in das Abteil, und in diesem Moment sah Nilah die hasserfüllten Blicke der Kerle. Als dann noch, offensichtlich der Ehemann, mit einem weiteren Kind auf dem Arm und einem anderen an der Hand in den Wagen stieg, dauerte es nicht einmal mehr Sekunden, bis der Erste laut und unüberhörbar Scheiß Bananenfresser zischte. Seine Kumpels lachten dazu und musterten die Familie, die gerade ängstlich bemerkte, dass sie in die falsche U-Bahn gestiegen waren. Doch mit dem sperrigen Kinderwagen konnten sie keine Distanz zwischen sich und die Männer bringen. Die Frau sah aus, als flehe sie gerade sämtliche Schutzpatrone an, und der Mann wirkte fahrig, als habe man ihn in eine dunkle Gasse hineingeschubst. Fast wie einen Schild drückte er seine kleine Tochter an sich. Dann fingen die Affengeräusche an. Unter großem Gelächter machte einer der Männer seltsame Bewegungen, indem er seine Arme baumeln ließ und dabei grunzte. Ein anderer sagte: «Wie die scheiß Karnickel seid ihr.» Das Schlimmste dabei war, dass Nilah im Wagen einige Mienen sah, die wohl zu gern zugestimmt hätten. Sonst blieb jeder sitzen wo er war, starrte aus dem Fenster in den dunklen Tunnel, als gäbe es dort eine interessante Filmvorführung, und hielt die Klappe. Sie schämte sich. Da stand Liran auf.
    Es war nur eine Bewegung, aber jeder bekam sie mit. Die U-Bahn hielt, die Tür blieb geschlossen, denn niemand stieg ein oder aus. Alle starrten Liran an, der einfach nur dastand und die Vier ansah, als kenne er sie von irgendwo her. Sekundenlang herrschte Stille. Dann ruckte der Zug wieder an. Nilah blieb das Herz stehen. Aber nun setzte sich der Krieger wieder, als wäre nichts gewesen.
    «Was sollte das denn?», raunte sie.
    «Jetzt wissen sie, dass jemand hier ist, der keine Angst hat. Das kennen sie nicht. Und nun überlegen sie, was sie machen sollen. Sie überlegen, ob es das wert ist.»
    Bei jeder Silbe sah Liran weiter zu den Vieren hinüber, die nun ebenfalls zurückstarrten. Bei Zweien stellte Nilah deutliche Verunsicherung fest. Aber die beiden anderen schauten mit unverhohlener Verachtung zu ihnen herüber. Der Dritte brach bald ein, als er sich nervös und ein wenig zu hektisch über die Lippen fuhr. Dann starrten sich nur noch zwei Alphamännchen an, für die ein Zurückstecken undenkbar und ein Verlust der Ehre zu bedeuten schien. Nilah fing den Blick der dunkelhäutigen Frau auf, die Liran ansah, als wäre er aus einer anderen Welt. Wenn sie wüsste, wie sehr sie damit Recht hatte.
    Als der Zug langsamer wurde und Nilah aufstand, zitterten kurz ihre Knie. Vor ihr schritt Liran durch den Gang wie jemand, der auf ein Schlachtfeld trat. Der Blick des einen Hooligans wurde schmal. Alle anderen blieben sitzen. Liran stand plötzlich genau zwischen ihnen und wirkte wie aufgeladen. Er sprach den Unbeugsamen an. Der war sogar größer und breiter als Liran. Nilah fragte sich, warum der Kerl nicht einfach zuschlug? Die Bremsen der Bahn quietschten und instinktiv griff sie nach Lirans Hand und drückte sie so fest sie konnte.
    «Ich habe mir Dein Gesicht gemerkt», sagte Liran tonlos. Er nahm einen tiefen Atemzug und flüsterte etwas ins Gesicht des Mannes.
    Als Nilah sah, wie die blaue Farbe seiner Tattoos sich bis zu seinem Kinn hinaufschlang, über der Nase einen Bogen machte, dann über die Lippen zurückfloss und in den Zähnen verschwand, als sie sah, wie zwei tiefblaue Eckzähne plötzlich zu Reißzähnen wurden, in dem sie herunterwuchsen wie schmelzendes blaues Wachs, und das kehlige Knurren hörte, da wurde ihr angst und bange. Und das ging dem Kerl genauso. Er wurde leichenblass als der Zug anhielt, jemand drückte den Knopf, die Tür ging auf und Nilah und Liran traten – ebenso wie die dunkelhäutige Familie - 'raus auf den Bahnsteig. Liran drehte sich um und sagte durch die sich wieder schließende Tür: «Ich weiß jetzt, wer Du bist!» Dann fuhr der Zug davon und verschwand scheppernd im Tunnel.
    Eine Zeit lang konnte Nilah nichts sagen, nichts fühlen, nicht

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