Die Bestimmung
vor einem Kamin standen und spielten. Die Leute klatschten, wippten, tanzten, sangen mit, umarmten Biergläser oder ihre Freundinnen. Für einen kurzen Moment wünschte sich Daan, dass Morrin hier wäre. Ein kurzes Kribbeln entstand in seinem Bauch, doch dann schubste ihn jemand und riss ihn aus seinen Gedanken. Mohamed stand derweil am Ende der Theke. Er unterhielt sich mit jemandem, der aussah, als würde er vor dem Frühstück illegale Boxkämpfe organisieren. Markant, ein kraftvolles Gesicht, das seit zehn Tagen nicht dazu gekommen war, sich zu rasieren. Weißes T-Shirt mit einer schwarzen Weste. Tätowierte Ober-und Unterarme, wobei Daan die Motive nicht identifizieren konnte. Dicke breite Lederbänder um die Handgelenke, worauf er auf einem die Uhr trug, und mehrere Ringe an den Fingern. Einer davon ein mächtiger Wolfskopf. Auf dem kurzen, schmutzig blonden Haar hockte einer dieser Mafiosihüte, den er in den Nacken geschoben hatte. Mit wachen, aber stillen Augen behielt er den ganzen Pub im Auge, während er Mohamed zuhörte und sogar noch Zeit fand, Anweisungen an Mitarbeiter zu geben. Dann nickte der Mann und öffnete die Thekenklappe. Mohamed drehte sich um und bedeutete Daan, ihnen zu folgen. Sie gingen durch die Küche, in der es nur so zischte und wimmelte. Bratkartoffeln brutzelten in Fett, Kräuter wurden gehackt, es wurde schnell gesprochen, man schlug hastig auf kleine silberne Klingeln.
«Woher kennst Du den denn?» , zischte Daan.
Mohamed grinste breit, entblößte dabei die Zähne und klopfte mit dem Zeigefinger dagegen.
«Du bist sein Zahnarzt?»
«Was glaubst Du, wo ich die vielen Original-Ersatzteile für die Harley herhabe, hm?»
Daan nickte verstehend. So viel kriminelle Energie hätte er seinem Freund gar nicht zugetraut.
Sie gingen durch eine weitere Tür, und als sie zuschlug, war all der Lärm plötzlich wie ausgelöscht. Eine Treppe hinauf, zweimal links herum, wieder eine Tür, dann standen sie in einer Art Büro.
«Haut Euch irgendwo hin!», sagte der Mann lässig, ging um einen großen Schreibtisch herum, ließ sich in den dahinter stehenden Sessel geräuschvoll fallen und legte seine Füße behutsam auf den Schreibtisch, als wäre dieses grässliche Ding unbezahlbar.
Mohamed und Daan blickten sich um, entdeckten zwei alte verschlissene Sofas, also setzten sie sich ebenfalls hin. Daan glaubte, eine Sprungfeder unterm Hintern zu spüren. Er rutschte vorsichtshalber etwas weiter nach links, wobei er sich räusperte. Irgendwie war ihm das hier nicht geheuer.
Der Mann fummelte an einer Schublade und Daan dachte schon, er würde eine Waffe hervorziehen, aber es kam nur eine Schachtel Zigaretten zum Vorschein.
Der Mann stützte den Kopf auf die gefalteten Hände, lugte über seine Ringe und musterte ihn. Er schien nicht sonderlich beeindruckt, also so wandte er sich weiter an Mohamed.
«Was kann ich für Dich tun, Mohamed?» Er hatte einen verwaschenen irischen Akzent.
Hätte man danach einen verborgenen Blick durch das Fenster gehabt, so hätte man Folgendes gesehen: Mohamed schien auf den Mann einzureden, seine Hände machten besänftigende Gesten, dann verstummte er und schien auf eine Reaktion zu warten.
Daan saß neben ihm und schien vollauf damit beschäftigt, die Fassung zu bewahren. Der Mann schwang behände die Beine vom Tisch, lupfte sich aus dem Sessel und ging zu einem Regal, auf dem eine Zimmerpflanze stand. Sie sah ein wenig mitgenommen aus. Unter dem Topf befand sich eine alte, rissige Untertasse, damit kein Wasser auf das Regal laufen konnte. Der Mann drehte sich um und lachte laut, als hätte man ihm gerade einen ziemlich guten Witz erzählt. Mohamed grinste, als wollte er damit sagen, dass es nun einmal so sei, wie es eben sei, und sah dann Daan an. Dieser starrte mit entsetztem Gesichtsausdruck den lachenden Mann an und stand abrupt auf.
Man sah ihn mit den Armen fuchteln, er schien sich etwas von der Seele zu reden, ja fast zu schreien. Er zeigte auf sich, machte Bewegungen, als würde er ein Schwert schwingen, zeigte auf seine Schuhe, tippte sich auf seine Schulter und krümmte sich, als hätte ihn dort etwas getroffen. Gleich darauf schien er ein unsichtbares Kanu zu lenken. Dann deutete er auf Mohamed und schließlich auf den Mann, der mittlerweile zur Salzsäule erstarrt dem aufgebrachten Bericht folgte. Doch was dann geschah, und man konnte es an Daans Lippen ablesen, es waren die Worte Anam Ċara , schien sich jähe Stille auf diesen Raum zu legen.
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