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Die Bestimmung

Die Bestimmung

Titel: Die Bestimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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sie.
    Der Mann starrte erst sie an, dann wanderte sein Blick zwischen ihr und Liran hin und her, als hätte man ihm eine Geistergeschichte erzählt, die nun Wirklichkeit geworden war.
    «Ja», sagte er knapp und reichte ihr den Topf.
    Sie sah auf seine Stiefel.
    «Brauchen Sie die noch»?, fragte sie beinahe beiläufig.
    Er blickte an sich hinunter. «Ähm ... nein», antwortete er und jeder spürte, mit welchem Respekt er das sagte. Er löste die Schnürsenkel, lupfte erst den einen, dann den anderen Schuh und reichte sie Nilah.
    Nilah riss die Pflanze aus dem Untertopf und schüttelte vorsichtig jeden Krümel von der Wurzel. Sie kippte die Erde vorsichtig und bemüht, es zu gleichen Teilen zu tun, in die Schuhe.
    «Hilf mir, Papa!» Sie wies ihn an, Lirans Kopf zu halten.
    «Sie werden auch helfen.» Der Mann kam auf Socken zu ihr, ohne zu murren. Mohamed blickte sich derweil um und behielt alles im Auge. Er sah weder das Eis noch das Schiff!
    «O.k.», sagte sie. « Sie nehmen ...»
    «Ich heiße Ian», unterbrach der Mann.
    «Ian, Sie nehmen jetzt den einen Stiefel und reißen ihn mit einem Ruck von seinem Bein ... und ich, ich werde versuchen, diesen so schnell wie möglich mit ihrem zu vertauschen. Verstanden?»
    Ian nickte und hatte sogar schon die Schnüre gelöst.
    «Auf drei»!
    «Eins … zwei … drei.»
    Und so riss der eine die alte Welt herunter und Nilah setzte eine neue in Gang, so hoffte sie.
     
    Die anderen drei Fahrzeuge fuhren derweil ein regelrechtes Rennen gegen die Unbekannten. Sie hatten schnell gemerkt, dass der eine Wagen, der noch an der Kreuzung unschlüssig gewartet hatte, wen er denn nun verfolgen sollte, nicht der einzige gewesen war. Mittlerweile brauste jedem der Wagen, die als Ablenkung gedient hatten, ein paar Scheinwerfer hinterher. Und sie machten ihre Sache ziemlich gut, zu gut.
    Liam Meany drückte die Freisprechanlage. Keine zehn Sekunden später war Ian am anderen Ende.
    «Was ist los, Liam»?
    «Das sind Profis, Ian», rief er und fing an, seinen Verfolger in einen ganz bestimmten Stadtteil zu ziehen – Altona. Ein Labyrinth aus Einbahnstraßen. Man brauchte schon einen Kompass, um da wieder ungeschoren herauszukommen, es sei denn, man kannte sich aus.
    «Was für einen Scheiß hast Du nur wieder angestellt?»
    «Halt sie hin, solange Du kannst», quäkte es zurück.
    Liam machte die Scheinwerfer aus, schaltete in den zweiten Gang und schoss geradezu durch zwei Seitengassen, entgegen dem Schild, das dort prangte. Nach ein paar weiteren gewitzten Schlenkern blieb es hinter ihm dunkel. Er atmete auf.
     
    Sie drängten sich zu dritt auf die Rückbank, während Ian fuhr, als hätte er ein Blaulicht auf dem Dach. Liran erholte sich erstaunlich schnell, nachdem sie den Fluch gebannt hatten, indem sie ihn zurück auf irische Erde gebettet hatten. Seine Augen hatten sich von der Ferne gelöst und wieder zurückgefunden in diese Welt. Er hatte geschrien, als die Stiefel seine Füße berührten, als wäre er gerade zum zweiten Mal geboren worden. Die Eule war unter Schmerzen auf seine Schultern geflogen und flügelschlagend zu einer blauen Flüssigkeit zerflossen, um darin zu verschwinden.
    Liran blickte Nilah ernst an, ihre Augen hatten sich verändert, stellte er fest und er wusste nicht, worin diese Veränderung bestand. Aber sie waren härter als zuvor.
    «Jetzt holen wir diese Waffen und dann werden wir nicht mehr so wehrlos sein, das schwöre ich Dir.»
    In ihm saß Dahi und neigte leicht den Kopf zur Seite. Liran fühlte ihr Fell in sich schimmern von all den Lichtern, an denen sie vorbeirauschten und die sie durch seine Augen fasziniert zu betrachten schien. Doch er fühlte auch, wie erstarrt ihre Gefühle waren. Es gab Dinge, die man nicht wieder zusammenfügen konnte – auch wenn man es sich wünschte.
    «Aus diesem Kampf wird langsam ein Krieg, Anam Ċara!», sagte sie lautlos in seinem Innern.
    «Ich weiß», erwiderte Liran.
     
     

Das Museum

    Sie hielten in einer Nebenstraße zur Rothenbaumchaussee, in der das Tennisstadion stand. Es gab keinen Parkplatz. Sie spähten in die von Laternen erleuchtete Allee. Ein Auto hinter dem anderen. Haufen aus Laub, zusammengefegt von der Stadtreinigung, lagen in regelmäßigen Abständen auf der Straße, die glänzte und das Licht der Laternen brach. Man hörte deutlich den nassen Verkehr von der Chaussee und man sah die vorüberhuschenden Autos. Und doch schien es, als sei einfach zu viel los, als sei etwas nicht wie an

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